Depressive Symptome können sehr unterschiedlich sein. Bei manchen Betroffenen steht ein Gefühl von Niedergeschlagenheit und Hilflosigkeit im Vordergrund. Andere sind unendlich traurig oder empfinden gar nichts außer einem Gefühl der Leere. Clemens, Franziska und Jessi erzählen, welche Erfahrungen sie gemacht haben.
Clemens* schreibt: „Es heißt die Zeit heilt alle Wunden. Die Macht der Vertrautheit, das an Etwas, an Jemandem Gewöhnte, dem Geliebten, wenn es entschwunden scheint. Ist es das Körperliche, Feinstoffliche, der Geruch, die Sinne, oder doch das gemeinsam Erlebte, die Orte, die ich mit Dir verbinde? Jahreszeiten, November, wenn das kalt-violette Licht der Dämmerung ins tiefe Wolkengrauschwarze der Finsternis übergeht.
Im Westen meines Lebens fand der schöne Traum Platz, später dann, genau dort, wo die Sonne untergeht, das Gefühl des Verlassen-Werdens und Verlassen-Seins. Will da nicht mehr hin. Will gar nirgends mehr hin, alles erinnert mich daran, dass Du nicht mit mir dort bist. Im zähen Schleim der Depression verharre ich in meinem Bett, drehe mich ab und zu auf die andere Seite. Das Gefühl von Durst, von Austrocknung ist latent vorhanden. Die Wasserquelle der Heilung wirkt so weit weg. Doch jetzt nebenan in die Küche zu gehen und zu trinken, schaffe ich nicht.
Die Stunden, Tage, Wochen verstreichen. Meine Welt scheint eingefroren zu sein. Und im Lauf der Zeit, wenn sich die Wunden langsam schließen, trifft unvermutet ein sanfter Lichtstrahl wärmend mein Herz und lässt mich neu Kraft schöpfen um wieder aufzustehen und die Orte neu anzunehmen, die ich in den zuvor kummervollen Tagen ausschließlich mit Dir verband, als neu erlebt, erfahren und mir ureigen zugehörig“.
Die Macht der Worte
Wenn es Franziska* schlecht geht, hilft es ihr, mit jemandem zu reden: „Ich kämpfe mich nun seit über zehn Jahren mit meiner Depression und Angsterkrankung durchs Leben. Es gibt Tage, da fühle ich mich einigermaßen ok, aber auch Tage an denen ich nicht mehr weiter weiß und nicht mehr leben möchte. Und solche Tage hatte ich leider schon sehr oft in meinem Leben. Von Selbstmordgedanken bis zu Panikattacken ist alles dabei. Am schlimmstes ging es mir immer dann, wenn Selbstverletzungen dazugekommen ist. Ich habe inzwischen zumindest gelernt, mir nach der Selbstverletzung zu vergeben. Ich weiß, dass das überhaupt keine Lösung ist und es tut mir leid. Mein lieber Körper, du hast das nicht verdient. Bitte vergib mir. Es gibt auch andere Möglichkeiten, die angestaute Verzweiflung abzubauen, als sich selbst weh zu tun: Gegen ein Kissen schlagen, schreien oder in die Luft boxen.
Eine Depression lässt einen schon sehr verrückte Dinge machen. Und manche sind lebensgefährlich. Aber zum Glück hat mich die Neugier auf das, was das Leben noch für mich bereit hält, immer davon abgehalten, meinem Leben ein frühzeitiges Ende zu setzen. Vielleicht wird sich doch noch alles ins Positive wenden. Es könnte sich auch ein langersehnter Wunsch endlich erfüllen. Halt gibt mir auch der Gedanke an meine Familie und Freunde. Ich will ihnen nicht weh tun.
Wenn es mir sehr schlecht geht, suche ich Hilfe, bei Leuten die mich verstehen. Entweder bei meiner Therapeutin, aber auch bei telefonischen Hotlines, wie der psychiatrischen Soforthilfe (0131330). Schon allein die düsteren Gedanken auszusprechen, kann der erste Schritt sein, sich etwas erleichtert zu fühlen. Vor allem wenn man dies in einem geschützten Rahmen tun kann, wo man sofort Hilfe bekommt, ist das sehr gut. Für mich ist und war es jedenfalls immer sehr hilfreich darüber zu reden. Ich weiß, wie schwer das sein kann. Aber wenn man sich das richtige Umfeld schafft mit Ärzten, Therapeuten und ganz besonderen Freunden, die einen verstehen, hat man einen sehr großen Schritt geschafft. Reden ist die beste Medizin“.
Im Kreis denken

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Jessis* Depressionen gehen immer mit einem sehr hohen Leidensdruck einher. Sie fühlt sich dann in einer endlos traurigen Gedankenschleife gefangen, die sie so beschreibt: „Ich muss dann immer an meine schlechten Familienverhältnisse denken und komme überhaupt gar nicht damit klar, dass es mir so dreckig gehen muss und dass ich dabei so depressiv werde und ich mir dann am Schluss gar nicht mehr selber zu helfen weiß, was leider sehr traurig ist. Wenn ich Depressionen habe, verletze ich mich auch oft selbst und ich habe häufig Selbstmordgedanken. Wenn mir alles zu viel wird, muss ich immer an schlechte Sachen denken und auch immer wieder leider auch an meine sehr schlechte Kindheit und was ich da jahrelang habe durchmachen müssen und dass ich es nicht früher geschafft habe, loszulassen, eben weil ich mich zu arg einschüchtern habe lassen und ich auch Angst davor hatte, Schläge zubekommen, die ich auch immer bekommen habe, was mich immer sehr getroffen hat. Das belastet mich immer noch. Es ist auch sehr blöd, solche Sachen nicht vergessen zu können. Das was leider auch sehr blöd ist, ist, wenn man während der Depressionen die Stimmen hört und sich dann noch immer mehr und mehr an die Person erinnert und was mir sehr zu schaffen macht in diesen Zeiten, was leider aber passiert ist und ich an dem schlechten Leben nichts ändern kann, denn das bleibt ein Leben lang in mir.
Was mir auch sehr zu schaffen macht und ich denke immer wieder darüber nach, was und wieso das alles so passieren musste, dass ich das alles durchmachen muss und dass ich das alles durchstehen musste und dass ich eigentlich gar nichts mehr davon wissen will. Aber leider, was soll ich machen, ich kann daran nichts ändern. Aber ich bin jetzt froh, dass es so ist, wie es jetzt gekommen ist und zwar dass ich von meiner Erzeugerin Abschied genommen habe und den Kontakt zu ihr beendet habe. Ich will ihr eigentlich auch gar nicht mehr begegnen“.
Clemens*, Franziska* und Jessi* (Namen geändert) sind TeilnehmerInnen von Eranos, einem Projekt zur beruflichen Rehabilitation von Menschen mit psychischen Erkrankungen.