Pratergeschichten

presse Carl Schaaf Aeroplankarussell

Die Familien Schaaf und Kobelkoff haben 1866 die ersten Attraktionen des Wiener Praters eröffnet. Zwei neue Wege durch den Wurstelprater erzählen jetzt von den beiden Praterdynastien: Nikolai Kobelkoff kam 1851 in Wosnessensk, Russland, ohne Gliedmaßen zur Welt. Er lernte rasch, auf seinen Beinstümpfen zu laufen und den rechten Armstumpf zu gebrauchen. Mit 18 Jahren war er Beamter in den Goldminen von Balbuck.

presse Nikolai Kobelkoff

Nikolai Kobelkoff kam 1875 nach Wien und verliebte sich.

Auf einem Jahrmarkt wurde er 1870 von Theaterdirektor Berg für seine Schaubühne in St. Petersburg entdeckt. Eine Tournee führte ihn 1875 nach Wien, wo er nicht nur im Panoptikum von Auguste und August Schaaf auftrat, sondern sich auch in Auguste Schaafs 18-jährige Schwester Anna verliebte. 1876 heiratete er, nach Eintritt in die evangelische Kirche, in die berühmte Schaustellerfamilie ein, sechs Kinder wurden auf den Tourneen quer durch Europa geboren. 1901 kaufte Nikolai Kobelkoff den Fahrradbetrieb auf dem Rondeau und machte daraus das bekannte Velodrom. Damit war der Grundstein der Familie Kobelkoff im Prater gelegt. Zahlreiche weitere Vergnügungsbetriebe, wie die „Manège Parisienne“ und der erste „Toboggan“, wurden eröffnet, Tourneen führten die Familie bis nach Amerika. 1933 verstarb der mittlerweile weltbekannt gewordene Künstler im Wiener Prater.

Auf den Spuren der Familie Schaaf

Als Stammvater der Familie Schaaf gilt August Schaaf. Er wurde 1821 in Leipzig-Reudnitz geboren. Er verließ die Familiengärtnerei, um als Schausteller in die Fremde zu ziehen. Aus einem Kasperltheater wurde bald eine Menagerie mit seltenen Tieren, seine Tourneen führten ihn samt Familie nach Wien, wo sie 1866 im Wiener Prater ein Panoptikum (in dem auch Nikolai Kobelkoff auftrat) erwarben und sich hier niederließen. 1885 starb August Schaaf im Prater. Sein Sohn Carl Schaaf, geboren 1859, startete seine Schaustellerkarriere mit Schießstätte, Ballwurf und Kraftmesser. Mit ihnen ging er auf Reisen, die ihn bis nach Buenos Aires führten. Zurück im Prater 1886 wandte sich Carl der Schaustellung von ungewöhnlichen Menschen zu. Sukzessive erweiterte er den Betrieb, führte viele technische Erneuerungen ein, und erreichte, dass ab 1906 der Prater auch im Winter geöffnet hatte.

presse August Schaaf

August Schaaf, Gründer der Familie Schaaf im Prater 1866

1911 wurde das Aeroplankarussell erbaut, für das sein einziger Sohn Karl Schaaf zuständig war. Hermann Leopoldi schrieb 1932 für dieses Ringelspiel den Erfolgsschlager „Schön ist so ein Ringelspiel“. Ingenieur Karl Schaaf (geb. 1888) entwickelte die Betriebe seiner Eltern technisch weiter und führte zahlreiche neue Attraktionen, wie das Freudenrad („Lustige Bank“), Pferderingelspiel und Kinderschaukelkarussell ein. 1935 wurde die „Todesmauer“ aufgestellt, eine Motorradfahrt an der senkrechten Wand. Karl Schaaf wurde während des Zweiten Weltkrieges sehr schwer krank und verstarb 1946 im Prater.

Zurück in die Vergangenheit

Die Wegbenennung geht auf die gemeinsame Initiative des Praterverbandes und der Prater Wien GmbH zurück, die Wege nach historischen Praterpersönlichkeiten zu benennen. Zur feierlichen Benennung der neuen Wege fand sich auch der Wiener Bügermeister Michael Ludwig im Prater ein: „Kaum ein anderer Vergnügungspark hat sich so stark in die Identität und das Image der Stadt eingeschrieben wie der Prater in Wien. Die Praterbetriebe mit ihren immer wieder neuen Attraktionen halten den Prater lebendig. Bis heute ist der Wurstelprater im Besitz von Unternehmen, die auf eine lange Familiengeschichte zurückblicken können“.

Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler dankte Silvia Lang, der Ururenkeltochter von Nikolai Kobelkoff und August Schaaf für ihre Initiative: „Die Pratergeschäfte und das Treiben im Wurstelprater waren und sind heute noch eine reiche Inspirationsquelle für die Kunst, insbesondere für die Musik und Literatur. Der Prater als magischer Ort hat sich auf diese Weise in die Stadtgeschichte eingeschrieben. Die Familien Schaaf und Kobelkoff waren als Praterdynastien innovativ, technisch am neuesten Stand und haben mit ihren Errungenschaften neue Perspektiven ermöglicht“. Silvia Lang, Vizepräsidentin des Wiener Praterverbandes unterstrich: „Für mich ist der Prater nicht nur Geschäft, sondern auch Familiengeschichte, Kontinuität und Tradition.“

Zu den Gratulant*innen zählten außerdem Georg Fraberger, Psychologe und Autor, der in Erinnerung an den körperlich behinderten Nikolai Kobelkoff sagte: „Behinderung ist eine brutalere, aber ehrlichere Form zu leben. Man wird gezwungen, sich mit der Menschlichkeit auseinanderzusetzen“. Ebenso gratulierten Wien Museum-Direktor Matti Bunzl, Bezirksvorsteher Alexander Nikolai, der Präsident des Wiener Praterverbandes Stefan Sittler-Koidl, der Geschäftsführer der Prater Wien GmbH Michael Prohaska, der Prokurist der Prater Wien GmbH, Alexander Ruthner, und der Praterheinzi.