Mit einem Pilotprojekt testet die Stadt Wien den Einfluss unterschiedlicher Straßenbeläge auf die Temperaturentwicklung in der Stadt. Drei Asphaltlösungen, die sich bei Sonneneinstrahlung nicht so stark aufheizen und eine, die zusätzlich wasserdurchlässig ist, werden nun in den nächsten drei Jahren entlang des Liesingbach-Radweges genau unter die Lupe genommen.
Die Stadt Wien setzt eine Vielzahl von Klimaschutzmaßnahmen, zugleich arbeitet sie an Entsiegelung und weiterer intensiver Begrünung von Plätzen und Straßenzügen, um den klimawandelbedingten urbanen Hitzeinseln entgegenzuwirken. Denn besonders im dicht bebauten Gebiet mit einem hohen Anteil an versiegelter Fläche steigt die Gefahr der urbanen Hitzeinseln. Eine natürliche Vegetation mit durchlässigen Böden erlaubt es Niederschlagswasser zu versickern. Dieses Regenwasser wird von der Fläche aufgenommen, ein Teil davon verdunstet anschließend wieder – mit dem Ergebnis, dass die Umgebung gekühlt wird. Hinzu kommen natürliche Schattenspender wie Bäume, Büsche und andere Pflanzen, durch die sich die Flächen weniger stark aufheizen können. Wenn man eine dicht bebaute Stadt mit dem unbebauten Umland vergleicht, kann es Temperaturunterschiede von bis zu 12 Grad Celsius geben.
„Unsere auf Hochtouren laufende „Raus aus dem Asphalt“-Initiative ist ein wesentlicher Schlüssel zur Erreichung der Ziele. In der ganzen Stadt wird entsiegelt und begrünt, Bäume gepflanzt, Wasserspiele und Nebelstelen errichtet, die Radinfrastruktur verbessert und Grätzl verkehrsberuhigt“, so Planungsstadträtin Ulli Sima. Straßenumgestaltungen wie jene der Reinprechtsdorfer Straße, Thaliastraße und Praterstraße zeichnen sich durch besonders viel Begrünung und Entsiegelung aus, ebenso Platzgestaltungen wie am Christian-Broda-Platz oder am Praterstern. Auch entlang von Radwegen wird viel entsiegelt und begrünt, wie etwa in der Argentinierstraße, wo eine Fahrradstraße nach niederländischem Modell entstanden ist und wo zugleich 1300 m2 Asphalt entsiegelt, 100 Grünbeete geschaffen und 70 neue Bäume gepflanzt wurden.
Wien forscht an Lösungen an Radwegen
Mit der Monitoring-Teststrecke Liesingbach-Radweg geht die Stadt Wien nun noch einen Schritt weiter, denn nicht überall ist Begrünung und Beschattung durch Bäume möglich. Auch in Zukunft braucht es in Städten befestigte Flächen. Diese ermöglichen barrierefreie und inklusive Mobilität für alle Menschen. Vom Rollstuhlfahrer über die Pensionistin, die auf einen Rollator angewiesen ist, gibt es in Städten mit einer diversen Bevölkerung viel Bedürfnis nach ebenen, leicht begeh- und befahrbaren Oberflächen. Einsatzkräfte oder die Wirtschaft sind ebenfalls auf befestigte Flächen angewiesen.
Im Rahmen eines vorangegangenen Projekts wurden deshalb Lösungen entwickelt und im Labor umfassend geprüft, wie Verkehrsbeläge für Gehsteige, Radwege und Fahrzeug-Stellplätze dazu beitragen können, Hitzeinseln zumindest zum Teil zu entschärfen. Die drei entwickelten Oberbausysteme – sogenannte Cool Pavements – haben bereits vielversprechende Ergebnisse geliefert. „Sie werden nun entlang des Liesingbach-Radwegs auf Höhe des Drascheparks in einer Teststrecke unter realen Bedingungen erprobt und ihr Einfluss auf die lokale Temperaturentwicklung untersucht“, erläutert Wolfgang Ablinger von der MA 28-Straßenbau, er ist Spezialist für Straßenbeläge und befasst sich schon lange mit dieser Thematik.
Die Asphaltlösungen im Detail
Unter Begleitung der Technischen Universität Wien wurden vier Asphaltbelags-Varianten auf einer Gesamtlänge von rund 80 Meter (jeweils 20 Meter pro Asphaltmischung) hergestellt und mit Temperatur- und Feuchtigkeitssensoren versehen. Diese werden im Lauf der nächsten drei Jahre Messdaten liefern, woraus sich Empfehlungen zur Vermeidung urbaner Hitzeinseln ableiten lassen.
Variante 1: Hierbei handelt es sich um offenporigen Asphalt mit grobkörnigem Gestein. Dadurch ist er besonders wasserdurchlässig. Diese Variante wird deshalb nicht nur auf die Temperatur, sondern auch auf ihre Versickerungsfähigkeit getestet. Variante 2: Der Asphalt ist mit klassischem Bindemittel gemischt und mit Aufhellungsgestein versetzt, wodurch er heller ist als gewöhnlicher Asphalt und sich deshalb bei Sonneneinstrahlung weniger aufheizt. Variante 3: Für den direkten Vergleich wird Variante 3 eingebaut: regulärer Asphalt mit herkömmlichem Bindemittel und herkömmlichem Gestein. Variante 4: Der Asphalt der Variante 4 ist nicht nur mit transparentem Bindemittel gemischt, sondern zusätzlich mit hellem Gestein versehen und gelb eingefärbt. Somit ist er deutlich heller als die anderen Varianten. Er zeichnet sich nach dem Einbau durch seine hellgelbe Sandfarbe aus. So soll die Oberflächentemperatur deutlich gesenkt werden.
„Radfahrende können natürlich auch weiterhin ungestört den Liesingbach entlangfahren. Dieser befindet sich aktuell im Zuge einer umfassenden Renaturierung, durch die der Bach schrittweise wieder naturnaher, grüner und sauberer wird“, betont Bezirksvorsteher Gerald Bischof. Eine neue Hinweistafel zu Beginn der Strecke, auf Höhe der BMX-Bahn, gibt allen, die sich für die unterschiedliche Färbung des Asphalts, über den sie radeln, interessieren, Auskunft über das Projekt und die Hintergründe.
Neue Radunterführungen sorgen für Optimierung des Liesingbachradwegs
Entlang des bereits renaturierten über 9 km langen Abschnittes hat sich der Liesingbach während der vergangenen 20 Jahre zu einem ökologisch intakten Gewässer und einem wahren Naturjuwel entwickelt. Bis 2027 wird das Renaturierungsvorhaben komplett gemacht: „Zurück zur Natur“ heißt es auch für die restlichen, noch verbauten 9,2 Kilometer des beliebten Naherholungsgebietes. Im Gleichschritt mit den laufenden Renaturierungsarbeiten an der Liesing wird die Radinfrastruktur vollumfassend verbessert. Bereits fertig sind zwei Unterführungen bei der Großmarktstraße und der Laxenburgerstraße, die nun für extra viel Fahrkomfort und eine durchgängige Route entlang des Liesingbachufers sorgen.
Für die durchgängige Radroute über den Altmannsdorfer Graben bis zum Inzersdorf-1-Steg wurde nun eine weitere Unterführung im Draschepark unter der Triester Straße errichtet. Jede Menge neuer Bäume werten die beliebte Radroute zusätzlich auf. Gerald Loew, Leiter der Fachabteilung Stadt Wien – Wiener Gewässer, betont: „Der Fokus unserer Maßnahmen am Liesingbach liegt auf verbessertem Hochwasserschutz und einer Revitalisierung des Gewässers. Doch wie man sieht, profitieren auch die Radfahrenden von der Rückführung in den natürlichen Zustand des Gewässers.“ Bild oben: Ulli Sima und Gerald Bischof © Stadt Wien/Lukas Fuchs