Ich als Gegend

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Glühend heiße Wüsten, undurchdringliches Dickicht oder stürmisches Meer. Jeder von uns hat ein Bild von sich, das auch eine äußere Entsprechung haben könnte. Toni, Martin und Olio haben versucht, ihr Inneres möglichst treffend zu beschreiben: Toni* ist „ein mitteleuropäischer Mischwald. Dicht bewachsen, wunderschön, doch auch geheimnisvoll und mystisch. Ich bin voller Energie und Leben, aber auch der Tod ist allgegenwärtig. Es spielt sich so viel ab, dass ich auf keinen Fall alles bewusst miterleben kann. So viele Details und Emotionen. Ich bin dicht bewachsen und wirke unnahbar. Man muss sich aber eigentlich nur trauen, mir ein paar Schritte näher zu kommen um das Antlitz Gottes zu betrachten und in Ehrfurcht zu verharren. Das Licht, das durch die Baumkronen auf den laubbedeckten Boden fällt, welcher unzähligen Organismen eine lebenswerte Heimat bietet. Doch wenn der Sturm aufzieht, werde ich zu einem ziemlich ungemütlichen Geschöpf: Äste brechen, Bäume stürzen um, Blitze schlagen ein und Leben wird ausgelöscht. Trotzdem biete ich Schutz für die meisten Waldbewohner. Von der kleinen Spitzmaus bis hin zum fast schon ausgerotteten Wolf. Die Baumwurzeln sind eng miteinander verflochten. Dieses Netz ist mein Fundament ohne dem ich nicht existieren würde. Darauf aufgebaut gedeihen Pflanzen in voller Pracht. Pilze bilden sich an den dunklen, feuchten Stellen. Das Moos wirkt schon fast wie ein grünes Bett in das man sich legen möchte um eine kleine Auszeit vom Überlebenskampf zu nehmen. Denn der Tod wartet schon, um mich zu Fertigmöbel zu verarbeiten“.

Die Wüste wächst

Martin* sieht seine seelische Landschaft als „eine Weltreise. Manchmal fühle ich mich wie in einem Wald gefangen und finde den Ausgang nicht. Jeder Baum steht für einen negativen Gedanken und ich weiß nicht, welchen ich zuerst fällen soll. Sie kommen immer näher und erdrücken mich. Dann wieder befinde ich mich plötzlich in der weiten Leere einer Wüste. Dieses innere Gefühl der Leere in mir kratzt an mir wie der sandige Boden in der Sahara. Mein Kopf brennt als würden 40 Grad im Schatten auf ihn wirken.

Foto von Ricardo Esquivel von Pexels

Foto von Ricardo Esquivel von Pexels

Szenenwechsel auf‘s offene Meer. Die Angst umgibt mich. Nicht zu wissen, was um mich herum ist und was passieren wird, lähmt mich und ich kann mich nicht mehr bewegen. Hilflosigkeit ist mein Begleiter. Dann kommt endlich ein Rettungsschiff und bringt mich auf einen Sandstrand auf den Malediven. Ich liege da, trinke Cocktails, lasse mich sonnen und entspanne. Alles wirkt gut, ich bin zufrieden. Glücklich. Doch dann bricht der Vulkan aus unerfindlichen Gründen neben mir aus. Die Wut sprengt sich heraus, Lava quillt, er spuckt Rauch und Asche. Ich bin ganz oben auf dem Vulkan neben der Öffnung und dann nach langem Hinaufquälen ist der Vulkan nur noch ein Berg. Ein Berg den ich erklommen habe und jetzt endlich oben kann ich die Aussicht genießen und auf den Weg zurückblicken, den ich bewältigt habe. Ich werde vielleicht wieder von dem Berg fallen und wer weiß wo meine Reise als nächstes hingeht, vielleicht in die Antarktis oder eine Großstadt, aber eins weiß ich, dass ich den Berg wieder erklimmen kann.

Olios* Landschaft ist „trocken und heiß, Wind trägt den Sand weit über mich. Die Sonne brennt erbarmungslos. Es gibt Berge aus Sand, der Himmel ist blau und wolkenlos. Am Horizont ist eine Oase – oder ist das nur eine Fata Morgana? Nein, da ist echtes Wasser, mit Datteln voll behängte Palmen. Sie spenden Schatten, Kühle und Stille. In der Abenddämmerung bildet die Luft eine seidenweiche Decke. Die Sterne am Himmel sind zahllos. Es geht friedlich zur Ruh“.

*Toni, Martin und Olio (Namen geändert) sind Teilnehmer von Eranos, einem Projekt zur beruflichen Rehabilitation von Menschen mit psychischen Erkrankungen.