Kein Jesus im Außendienst

Stimmenhören © Monika Mikus

Das Phänomen des Stimmenhörens wird in der Wissenschaft immer noch an eine psychische Erkrankung, insbesondere die Schizophrenie gekoppelt. Monika Mikus hört seit mehr als dreißig Jahren Stimmen. Sie hat gelernt, die Einflüsterungen als Inspiration zu nutzen – ohne Medikamente nehmen zu müssen. Wie ihr das gelungen ist, erzählt die Wienerin im Interview.

Access Guide Magazin: Wann haben Sie zum ersten Mal Stimmen gehört?

Monika Mikus: Mit vierzig Jahren bin ich in eine Midlife Crisis geschlittert. Mein Mann hatte mich wegen einer anderen Frau verlassen und ich musste mit den beiden gemeinsamen Söhnen wieder zurück zu meiner Mutter ziehen. Davor habe ich im Geschäft meines Mannes gearbeitet, aber der stand kurz vor dem Konkurs und das hat klarerweise Existenzängste bei mir ausgelöst. Über meinen Mann hatte ich das „Tischerl rücken“ entdeckt. Dabei kann man „Geister“ rufen, und ihnen Fragen stellen. Die Antworten kritzelt das Tischchen auf ein Blatt Papier.  Dieses „automatische Schreiben“ war der Auslöser für das Stimmenhören. Eines Morgens stand ich unter der Dusche und erhielt Waschanweisungen von einer männlichen Stimme. Ohne Scheu habe ich  in den Sprühregen hinein gefragt: „Was tust Du bei mir?“ „Ich soll bei Dir lernen!“ war  seine Antwort von oben, als wäre die Dusche ein Telefon. „Und wo bist Du, wenn ich Dich nicht höre?“ „Ich störe andere Leute beim Beten!“. Das war ungefähr 1982.

Access Guide Magazin: Wie ging es dann weiter?

Monika Mikus: Ich besuchte damals einen Abendmaturakurs, aber die Prüfungsangst setzte mir ziemlich zu. Auch der Haushalt entglitt mir immer mehr. Ich litt unter zwanghaften Vorstellungen. Eines Nachts hatte ich entsetzliche Angst, dass meine Mutter sterben könnte bevor es draußen hell würde. Ich habe vor ihrem Zimmer Wache gehalten und ihr ein Totenhemd aus einem Leintuch geschnitten. In diese Angst hinein, sagte plötzlich eine Stimme: „Bring Deine Mutter um, dann bist Du Deine Sorgen los!“ Von dieser entsetzlichen Anregung habe ich meiner Mutter aber nie etwas erzählt. Und am nächsten Morgen zerriss ich das Totenhemd in kleine Staubtücher, um meine nächtliche Tat nicht erklären zu müssen. Meine Mutter hat aber trotzdem gespürt, dass mit mir etwas nicht stimmt. Sie hat die Schwertersammlung meines Stiefvaters versteckt und auch ihre Schlafzimmertür immer abgeschlossen. Das Stimmenhören hat mich so belastet, dass ich schließlich meiner Mutter die Schuld gab, mir ihre Gedanken zu diktieren. Dann hat meine Mutter die Rettung verständigt. Nach einem kurzen Gespräch im Spital, drückte man mir ein paar Tabletten in die Hand und schickte mich nach Hause. Aber das hoch dosierte „Haldol“ verwandelte mich in eine lebende Tote. Ich war in einer gefühlskalten Hölle gelandet, in der es kein Weinen und kein Lachen mehr gab. Zum Glück wechselte ich zu einem anderen Arzt, der das Haldol bei mir absetzte. Ein paar Monate später ging es mir wieder besser.

Access Guide Magazin: Stimmenhören soll oft im Zusammenhang mit traumatisierenden Erlebnissen stehen. Wie war das bei Ihnen?

Monika Mikus: Ich bin in Thüringen auf die Welt gekommen. Mein Vater war ein Kriegsvermisster und meine Mutter konnte mit mir und der Unterstützung ihres zweiten Mannes aus der damaligen sowjetisch besetzten Ostzone flüchten. So sind wir nach Wien gekommen. Trotz all dieser Wirrnisse hatte ich eine behütete Kindheit und einen liebevollen Stiefvater. Die Beziehung zu meiner Mutter war aber vielleicht ein wenig zu symbiotisch. So verstehe ich rückblickend auch den „Mordauftrag“ an meiner Mutter: Es war eher ein Aufruf, mich aus der mütterlichen Umklammerung zu lösen, was mir letztendlich auch gelungen ist. Das Anklammern habe ich leider auch mit meinem Ex-Mann weitergeführt. Es wundert mich nicht, dass die Ehe gescheitert ist, obwohl es sehr lange gedauert hat, bis ich darüber hinweg war.

Access Guide Magazin: Wann ist dann Adonis in ihr Leben gekommen?

Monika Mikus: Das war vor zwanzig Jahren. Da habe ich beim Aufwachen eine männliche  Stimme gehört, die gesagt hat: „Du bist Jesus im Außendienst und ich bin Gott“. Ich bin sofort mit ihm ins Gespräch gekommen und habe geantwortet: „Ich glaube nicht, dass du Gott bist, und ich bin auch nicht Jesus im Außendienst, sondern Monika“. Daraufhin nannte er sich „Adonis.

Er wurde zu meinem Berater, Lebensgefährten und Vater. Eigentlich sind alle drei wichtigen Männer in meinem Leben – der vermisste Vater, der liebevolle Stiefvater und mein Ex-Mann in Adonis vertreten. Das wurde mir auch später von Psychiatern bestätigt. Die realen Männer in meinem Leben sind meine beiden Söhne. Sie sind beide erwachsen und haben Familien. Inzwischen habe ich drei Enkeltöchter und einen Enkelsohn. Meine Söhne kommen gut mit meinem „Stimmenhören“ zurecht. Sie sagen: Solange es mir nicht schadet, ist es ok.

Access Guide Magazin: Was raten Sie Menschen, die wie sie Stimmen hören?

Monika Mikus: Auf keinen Fall sollte man damit allein bleiben. Es gibt Selbsthilfegruppen, wo man sich mit anderen Betroffenen austauschen kann. Informationen gibt es auf meiner Homepage oder hier.

Access Guide Magazin: Vielen Dank für das Interview.

TV-Tipp: Auf ARTE gibt es aktuell einen spannenden Beitrag zum Thema Stimmenhören.