Meine zweite Natur

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Tagtäglich wiederholen wir die gleichen Handlungen, ohne viel darüber nachzudenken. Manche dieser Routinen sind nützlich, andere weniger. Rudi Resch hat während seines Praktikums beim Access Guide Magazin eine Liste davon gemacht: „Die Anzahl meiner schlechten Gewohnheiten ist groß. Sie sind zwar relativ gewöhnlich, aber dennoch zu viele. Ich weiß, dass die meisten dieser schlechten Angewohnheiten „nicht gut sind“ – das Rauchen nach dem Aufstehen, die Gewohnheit gefühlt zu allem einen Kaffee zu brauchen, die Ruhe in der Früh.

Aber der Reihe nach: Ich bin ein Morgenmuffel, schon immer gewesen. Die meisten, die mich kennen, wissen das. Es gibt nur eine einzige Regel, die man bei mir in der Früh beachten muss: Bitte nicht anreden, bevor ich nicht meine fünf Minuten hatte. Ich brauche was zu trinken, eine Zigarette und den Gang aufs WC. Ich brauche die Zeit um mir klar zu werden, wer, was und wo ich bin. Wenn das erledigt ist, kann man mit mir reden und quatschen so viel man möchte. Aber wehe dem, der mich in der Zeit davor anspricht. Dann werde ich grantig. So richtig. Und das zieht sich bei mir durch den Tag. Ohne Koffein in der Früh bin ich auch kein Mensch, ich bin energielos, unmotiviert und knatschig. Deshalb habe ich immer Kaffee oder Red Bull daheim. Nicht nur zum „Selbstschutz“ sondern auch zum „Schutz für andere“. Meine Gemütslage ist katastrophal wenn mein Morgen nicht so abrennt wie ich es brauche.

Wenn ich dann in den Tag gestartet bin, kommt es drauf an, was auf meiner To-Do Liste steht. Unter der Woche geh ich meiner Arbeit wie gewohnt nach. Kaffee und Zigaretten nach dem Ankommen, schauen „wie ist die Lage der Nation“, im Kopf einen ungefähre Plan erstellen, was wann erledigt wird. Bin ich zuhause, geht’s meistens in dieselbe Richtung – vor den PC. Und das den ganzen Tag. Und unter Einfluss gewisser Dinge. DAS ist eine meiner größten schlechten Gewohnheiten: Das Kiffen. Ich könnte mir so viel Geld sparen, wenn ich das nicht tun würde. Ich könnte so viele Dinge erledigen. Ich könnte produktiver sein. Aber nein. Der Griff zum Joint ist wesentlich kürzer als den Geschirrspüler aus und wieder einzuräumen. Es macht mich träge und lethargisch. Aber es ist eine schlechte Gewohnheit, die ihren Zweck erfüllt – sie bewahrt mich davor, komplett am Rad zu drehen. Ich wüsste nicht, wo ich jetzt wäre, wenn ich größere Streitereien oder argen Stress nicht mit Cannabis hätte abfedern können.

Wobei, ich denke schon, dass ich es wüsste – ich würde mir vermutlich die Radieschen von unten anschauen. Weil ich weiß, welchen Effekt es auf mich hat, wie es sich auf mich und mein Umfeld auswirkt, hab‘ ich mir dafür eine „goldene Regel“ geschaffen, die mich von Alkis und Junkies unterscheiden soll. „Nicht vor und nicht während der Arbeit“ – daran halte ich mich felsenfest! Es ist eine Art, es sich schön zu reden. Aber es funktioniert für mich. Natürlich kann man jetzt entrüstet den Finger heben und „Du! Du! Du!“ sagen – aber für mich ist der Joint wie für andere das Glas Wein oder die Flasche Bier.  Es ist nicht meine Schuld, dass wir noch in diese „Prohibition“ stecken. Aber das soll hier nicht Thema sein. Es geht vielmehr um die Gewohnheit, nach dem Nachhause kommen, mir direkt einen zu drehen und mal einfach zwei Stunden abzuschalten – natürlich nur, wenn das Wichtigste bereits erledigt ist. Gottseidank ist „Hausarbeit“ in einem Singlehaushalt nicht soooo wichtig.

Schwarz sehen

Ein anderes Beispiel für meine schlechte Gewohnheiten wäre meine Negativität – ich sehe in allem, was mir so passiert, das Schlechteste. Zumindest so lange, bis ich mich vom Gegenteil überzeugen konnte. Ich gehe immer vom Schlimmsten aus. Das ist nicht gut. Es schafft eine Gedankenwelt, die in Schwarz, Grau, aus Metallwänden und massiven Ketten geformt ist. Aber Abseits der negativen Angewohnheiten, gibt es auch durchaus Positive: Ich bin ein sehr fürsorglicher Mensch. Mir ist es wichtig, dass es Anderen besser geht, als mir (wobei das meistens nicht sehr schwer ist). Ja mir ist bewusst, dass das nicht unbedingt positiv (für mich) ist. Aber für mich ist es das. Es fällt mir sehr schwer, mich wirklich zu freuen. Wenn sich nun aber Menschen, die mir wichtig sind, sich über etwas freuen, einen guten Tag hatten oder Ähnliches, dann färbt das auf mich ab. Und wenn ich das mit ein wenig Zuwendung und Fürsorglichkeit garniere und die Freude größer wird, wird sie auch bei mir wachsen. Zumal ich auch dasselbe von meinen Freunden erwarten kann. Es ist ein Geben und ein Nehmen.

Beim Schreiben dieser Zeilen ist mir aufgefallen, dass ich eigentlich gar nicht so viele positive Gewohnheiten habe. Dafür würden mir noch einige negative Einfallen. Ich müsste mich mal aktiv umhören, was mir die Leute so an positiven Gewohnheiten zusprechen. Wenn ich mir eine meine negativen Angewohnheiten aussuchen und streichen könnte, wäre es vermutlich das Kiffen. Oder das Augen verdrehen, wenn meine Mutter mich mal wieder mit Informationen zu schüttet, die absolut niemand braucht. „Ja die Vera hat Bing installiert, aber ich habe es wieder deinstalliert – jetzt hat die Vera das und das gemacht“ – Joa schön für euch Zwei aber es interessiert mich nicht. Und trotzdem muss ich dasitzen und mir das geben.

Jeder hat Gewohnheiten – ob gut oder schlecht muss jeder für sich selbst beantworten.
Mir ist es wichtig, dass meine schlechten Gewohnheiten nicht die Überhand über mein Leben gewinnen. Auch wenn es in manchen Bereichen nicht so einfach ist, gibt es andere bei denen es erstaunlich einfach geht – ich darf nur nicht alleine sein. Denn wirklich allein bin ich ja nicht, meine Gewohnheiten verlassen mich nicht so schnell“.