Vom Wert der Arbeit

Bild von StockSnap auf Pixabay 2

Frustration, Wertlosigkeit oder Verunsicherung erleben viele Menschen, die über einen längeren Zeitraum hinweg arbeitslos sind. Die Teilnehmer*innen von Eranos, einem Projekt zur beruflichen Rehabilitation von Menschen mit psychischen Erkrankungen kennen das aus eigener Erfahrung. Zum Monatsschwerpunkt „Arbeit“ erzählen sie im Access Guide Magazin, wie es ihnen damit geht.

David* wollte schon als Kind Koch werden und hat später dann auch eine zweijährige Lehre absolviert. „Kochen war mein erstes Hobby, das wollte ich zu meinem Beruf machen. Die Lehre habe ich sehr genossen und konnte dabei viele Erfahrungen sammeln“. Allerdings bekam er nach dem ersten Lehrjahr ein Hautekzem an beiden Händen: „Das hat meine weitere Ausbildung blockiert. Ich war sehr deprimiert und verlor die Perspektive“, so David. In den darauf folgenden drei Jahren war er arbeitslos: „Das tat sehr weh“, sagt der 23-Jährige. „Wenn ich Menschen in meinem Umfeld treffe, die einen Abschluss haben und viel Geld verdienen, beneide ich sie sehr“, gibt David zu, denn eigentlich wollte auch er immer eine bessere Zukunft und ein festes Lebensziel.

Ohne Lehrabschluss fühlt sich David wertlos – der Umstand bereitet ihm täglich Kummer und Sorgen. Dennoch hat er immer wieder versucht, einen Neuanfang zu machen: „Ich habe Therapien besucht, die mir leider alle nicht geholfen haben – bis ich beschloss, mich selbst zu therapieren“. Das hat David dann auch durchgezogen und es ist im gelungen, sich von seinen negativen Seiten zu befreien. Dadurch ist er selbstbewusster geworden. Aber es gibt auch Einbrüche, wenn er daran denkt, dass er in seinem Alter noch immer keinen Abschluss hat. Sein aktueller Berufswunsch ist, Bürokaufmann zu werden: „Leider bin ich momentan aber sehr unsicher, da sich in letzter Zeit sehr vieles verändert hat“. Aus diesem Grund möchte er sich noch ein wenig Zeit geben, um herauszufinden welcher Beruf am besten zu ihm passt.

Hürden und Hindernisse

Merlins* erster Traumberuf als Kleinkind war „Edelsteinsucher. Als er dann etwas älter war, wollte er lange Zeit Architekt werden. Gearbeitet hat er schließlich als Koch, Kellner, Barkeeper und Werber. Zu den positiven Erlebnissen dabei zählen für ihn „definitiv die Verbindung die entsteht und die Freundschaften die sich aus sehr stressigen Tagen, Wochen oder Monaten ergeben“. Negative Erlebnisse im Beruf beschränkten sich für Merlin fast ausnahmslos auf schlechte Erfahrungen mit ehemaligen Vorgesetzten. „In meiner Lehrzeit habe ich mich leider nicht getraut mir eine andere Stelle zu suchen“, sagt Merlin. Phasen der Arbeitslosigkeit erlebt er als belastend und demotivierend. „Ich fühle mich dann unsicher und frustriert“. Der ideale Beruf für Merlin sollte einen „eher ruhigen Arbeitsplatz und fest geregelte Arbeitszeiten“ bieten.

Zweite Chance

Karo* sammelte unterschiedliche Erfahrungen in ihrem Berufsleben. Sie wollte meistens Verkäuferin werden, mit einer Ausnahme: „Als 13-Jährige wollten meine damals beste Freundin und ich Masseurinnen werden. Daraus wurde aber nichts. Wir sind beide nach dem 9. Schuljahr im Handel gelandet.“ Karo machte eine Lehre zur Einzelhandelskauffrau in einem Geschäft für Buch, Papier, Büro- und Schulbedarf. „Der Vorteil dort waren der regelmäßige Kundenkontakt und die interessante Branche und Sortiment. Allerdings war ich ständig auf den Beinen“. Als nächstes nahm Karo eine Umschulung zur Bürokauffrau in Angriff. Das brachte ihr den Abschluss der Handelsschule. Die Ausbildung war allerdings ziemlich „stressig, weil wir den Stoff von drei Jahren in eineinhalb Jahren durchgenommen haben. Wegen meines vorangegangenen Schädelhirntraumas war das sehr anstrengend. Danach fand Karo einen Job als Telefonistin für einen Teleshop: „Das war zwar weniger fordernd, weil es eine sitzende Tätigkeit war, hatte aber den Nachteil, dass ich Abend- und Nachtdienste hatte, die mitunter bis zwei Uhr früh dauerten“, erzählt Karo. Ihre nächste berufliche Station war an der Kassa in einem Supermarkt. Den Kundenkontakt fand sie gut, aber die Zehn-Stunden-Schichten waren eine „starke Belastung“ für sie. Karos nächste Station war das Gastgewerbe. Auch dort fand sie den Kontakt mit Menschen sehr angenehm, allerdings war sie ständig auf den Beinen, was schlecht für ihre Wirbelsäule war. Zu der Nachtarbeit kam magere Entlohnung und schließlich noch „oftmaliger Alkoholmissbrauch“ dazu. Danach kehrte Karo als Regalbetreuerin in den Lebensmittelhandel zurück. Dort schätzte sie das weitgehend freie und selbständige Arbeiten. Für ihre Wirbelsäule war die Tätigkeit aber nicht so günstig. Ähnliches erlebte Karo als Reinigungskraft.

Bild von Pawel Kozera auf Pixabay

Bild von Pawel Kozera auf Pixabay

Die Zeiten der Erwerbslosigkeit empfand Karo unterschiedlich: „Da ich mich selbst dazu entschieden habe das Dienstverhältnis im Lebensmittelhandel zu beenden, war die erste Zeit des Daheimseins wie ein Urlaub. Später, als körperliche und psychische Beschwerden hinzu kamen, fühlte ich mich wie in einer zweijährigen Rehabilitation. Ich besuchte täglich meine Therapien, und seit Oktober 2020 befinde ich mich beim Phönix Project im Eranos Kurs. Jetzt fühle ich mich wie in einem Dienstverhältnis mit Übernahme inklusive Rechte & Pflichten mit Bezahlung“, beschreibt Karo. Aufgrund ihres bisherigen Lebensweges und ihrer 25-jährigen Krankengeschichte fühlt sich Karo „nicht typisch arbeitslos. Ich habe für mich selbst oft mehr Verständnis als andere mit sich selbst und sehe trotz allem positiv in die Zukunft. Die vergangenen drei Jahre inklusive der Meldung beim AMS sehe ich als zweite Chance“, sagt Karo. Momentan ist sie auf der Suche nach einem „sitzenden Bürojob mit der Möglichkeit, immer wieder aufzustehen in einem kleinen Betrieb.“

Lähmende Monotonie

Theresas* einzige, berufliche Erfahrungen konnte sie bislang lediglich in diversen Praktika erwerben. Dort „gab es entweder zu viel oder zu wenig zu tun“, meint die 20-Jährige. Arbeitslosigkeit sei aber auch keine befriedigende Alternative: „Ich fühle mich ehrlich gesagt gelangweilt, weil jeder Tag gleich ist. Auch habe ich das Gefühl als würde ich nur vor mich hin leben“, meint Theresa, die momentan nach einem Job im Einzelhandel sucht.

Alice* wollte ursprünglich Modedesignerin oder Goldschmiedin werden. Tatsächlich ist sie Elektrotechnikerin geworden: „Diesen Beruf hab ich sehr geliebt und er hat mir auch viel Spaß gemacht. Allerdings waren dabei sexuelle Belästigungen immer ein Thema”. Als Erwerbslose fühlt sich Alice der Gesellschaft gegenüber nutzlos. Im Moment strebt sie einen Job als Kindergartenassistentin an.

*Sämtliche Namen wurden geändert.