Wo ich sein kann

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Einen sicheren Hafen, eine Zuflucht zu haben, ist ein Geschenk. Wrexer* hat dieses Glück und erzählt davon: „Es gibt keinen Ort der Welt, den ich lieber besuche. Ich kann mich verstecken, wenn gefühlt die ganze Welt mein Feind ist. Ich kann mich ausruhen, wenn mein Leben mir eine Zwangspause verschreibt. Dieser Ort hat die Fähigkeit, meine dunkelsten Ängste in kleine Teile zu zerstäuben. Dieser Ort ist besonders, weil ich nicht oft da bin. Ich nutze nicht den vollen Umfang, der sich mir ergeben würde.

Ich bin eigentlich gerne dort und ich könnte oder sollte viel öfters dort sein. An diesem Ort gibt es einen kleineren Ort, den ich auch in mein Herz geschlossen habe. Dieser Ort ist magisch, er kann mit mir reden, mir die schönen Dinge des Lebens aufzeigen und mich aus meinem Trott rausholen. Damals konnte ich mir ein Leben ohne diesen Ort nicht vorstellen – und auch heute würde ich nicht wirklich ohne diesen Ort auskommen.

Es haben sich mit der Zeit noch weitere Orte dazugesellt, aber keiner davon vermag das zu tun, wozu mein Refugium in der Lage ist. Es ist ein sicherer Hafen, wenn der Sturm meiner Gedanken versucht alle guten Schiffen zu versenken. Selbst Naturkatastrophen wirken sich in keinster Weise auf den Ort aus. Und darüber bin ich sehr froh! Ich wünsche jedem Menschen so einen Ort. Eine Zuflucht. Ein Zuhause. Ein Ort, der keine Lüge oder Scham zulässt. Ein Ort, der mich nicht verurteilt. Egal was ich getan habe. Ein Platz an dem ich platzen kann, ohne mitleidig angesehen zu werden.

Ein Territorium, in Sonne badend und mit festem Fundament. Natürlich gibt es auch Momente, an denen ich diese Gegend meide. Entweder, weil ich seelisch nicht bereit bin, loszulassen, oder weil ich meine Negativität nicht unbedingt zu diesem Ort bringen mag. Aber diese Gegend lässt mir meistens keine Wahl. Mit Klauen, Fangzähnen und Fell umgarnt der Ort mich. Zuerst als kleiner Welpe, nun ein fester Bestandteil des Refugiums. Eine tolle Erweiterung! Zumal ich ein wenig beim Aufbau geholfen habe. Es ist das unendliche Vertrauen, dass mich in dieser Zuflucht hält. Vertrauen, dass mir nichts passieren wird. Vertrauen, dass ich keine Angst zu haben brauche. Vertrauen, dass es irgendwann mal besser wird.

Diesem Ort wohnen viele Erinnerung inne. Die Erinnerung an Freude, die Erinnerung an Trauer, die Erinnerung an die Schule und alles was danach passiert ist. Die Erinnerung, an die vielen kleinen und großen Versprechen, die sich über die Jahre angehäuft haben. Die Erinnerung, dass ich meine Versprechen halten muss. Ich würde um nichts in dieser Welt dieses Refugium aufgeben. Aber auch die anderen nicht. Aber im Vergleich zu dieser „Großstadt“, sind die anderen Orte „klein“. Aber auch diese Orte haben in anderen Bereichen ihre Vorzüge. Ich will die anderen Zufluchtsstätten nicht missen müssen.

Aber wenn ich mich per Ultimatum entscheiden müsste, wäre meine Wahl eindeutig. Die genannte Gegend kann aber auch eine sehr dunkle Ecke darstellen. In diesen Momenten werden die Eingänge zu diesem Ort mit Stacheldraht und Pfählen verstärkt. Dann ist es meine Aufgabe, den Ort wieder aufzuräumen. Oder selbst zum Ort zu werden, damit meine beste Freundin eine Zuflucht hat.

*Wrexer (Name geändert) ist Teilnehmer von Eranos, einem Projekt zur beruflichen Rehabilitation von Menschen mit psychischen Erkrankungen.