Wenn Ideen spazieren

Pexels Lil Artsy

Mitte März wurde im Rahmen eines Festaktes im Raiffeisenhaus Wien der Literaturpreis Ohrenschmaus vergeben. Dabei wurden Texte von Menschen mit Lernschwierigkeiten oder Lernbehinderung ausgezeichnet. „Die prämierten Texte sind ein wahres Feuerwerk an Ideen, positiven Zugängen zur Welt, dem Hinterfragen von Normalität und ein starker Appell für ein Miteinander für Menschen mit und ohne Behinderung. Denn jeder hat Stärken, die wir sehen und fördern müssen“, sagt der Initiator des Literaturpreis Ohrenschmaus Franz-Joseph Huainigg. Unter der Schirmherrschaft von Felix Mitterer hat eine Fachjury drei Hauptpreise im Wert von 3000 Euro vergeben. Ebenso wurden großartige und wichtige Texte zum Thema Frieden mit der von Zotter gesponserten Ohrenschmaus-Schokolade ausgezeichnet. Auf einer Ehrenliste wurden weitere zehn Texte gelobt und es wurde ein einjähriges Schreibstipendium vergeben.

Die Gewinnertexte

Ohrenschmaus 2023

Michael Pichler, David Tritscher, Martin Benger (v.l.n.r.) © Hanna Fasching

Christian(e) Kargl wurde für den Text „Die Idee ist müde“ mit einem Hauptpreis ausgezeichnet. Die Preisträgerin ist 32 Jahre alt und lebt derzeit in Niederösterreich, knuddelt, nach eigener Beschreibung, gern „mit der Stimme Gottes und wartet auf ein Treffen mit Nina Hagen“. In der Zwischenzeit schreibt Christin(e) in der Forum Logos-Gruppe mit. David Tritscher gewann mit seinem Text „warum machen sie nicht mal was kreatives mit uns“ zum zweiten Mal den Ohrenschmaus Hauptpreis. In seinem Text hinterfragt er die Tätigkeiten, die Menschen mit Behinderung zugedacht und zugetraut werden. Der 23-jährige Autor lebt in Wien und hat vor kurzem seinen ersten Gedichtband „der bergschreiber“ herausgebracht. Mit dem dritten Hauptpreis wurde Barbara Müller mit ihrem Text „Der Papa ist gestorben“ prämiert. Die 44-jährige Autorin aus Wien besucht seit Jahren den Club 21, wo viele ihrer Texte entstehen. Barbara Müller schreibt nicht nur, sondern malt auch seit Jahren und verkauft ihre Bilder bei Vernissagen.

Mit dem Ohrenschmaus-Schokolade-Preis der Firma Zotter wurden die Autor:innen Agnes Zenz, Martin Kogler und Johanna Veith ausgezeichnet. Sie geben in ihren Texten einen starken literarischen Appell für den Frieden. Wer dieses Zeichen weiterschenken oder selbst unterstützen möchte, kann die Zotter-Ohrenschmaus-Schokolade gegen eine Spende beim Verein Ohrenschmaus erhalten. Auf der Ehrenliste wurden die Texte von Eder Robert, Glößl Rene, Gstöttmaier Peter, Massner Isabella, Planinger Gerlinde, Robnig Claudia, Saugspier Robert, Schultes Daniele, Strouhal Oliver, Zeiger Micha, Zettl Gitti ausgezeichnet – großartige Erzählungen, Lebensberichte und Gedanken, die lesenswert sind. Mit einem einjährigen Schreibstipendium, gefördert vom Bundesministerium für Kunst und Kultur wurde Peter Gstöttmaier ausgezeichnet, der schon mehrere Ohrenschmaus-Hauptpreise in den vergangenen Jahren gewonnen hat. Unterstützt von den Mentorinnen Eva Nagl-Jancak und Heidi Pölzguter wird er an einem Buch arbeiten. Man darf gespannt sein.

Siegertexte in Buchform

Alle Sieger- und prämierten Texte sind im Buch „Wenn Ideen spazieren“ in der Ohrenschmaus-Edition der Buchschmiede erschienen. Für 15 Euro ist das Buch bei der Buchschmiede bestellbar. In den vergangenen 16 Jahren wurden über 2.500 Texte beim Literaturpreis Ohrenschmaus eingereicht. 149 Texte davon wurden prämiert, von denen wiederum 48 Hauptpreise waren. 2023 haben 142 Autor:innen mit Lernbehinderung am Literaturwettbewerb Ohrenschmaus teilgenommen. Die Jury rund um Schirmherr Felix Mitterer – Heinz Janisch, Eva Nagl-Jancak, Ludwig Laher, Günter Kaindlstorfer und Barbara Rett – lobte die hohe Qualität der Texte und dementsprechend fiel auch dieses Jahr die Entscheidung nicht so leicht. Alle Siegertexte können auf der Homepage des Verein Ohrenschmaus nachgelesen werden.

Neue Projekte gestartet

In 18 Schreibwerkstätten quer durch das Land sucht der Verein Ohrenschmaus neue Schreibtalente. In weiteren zwei Schreibwerkstätten erlernen Behindertenpädagog:innen und -betreuer:innen, wie unterstütztes Schreiben funktioniert. Gefördert vom Inklusionspreis des Jubiläumsfonds – Licht ins Dunkel wird der Verein Ohrenschmaus ab Mai drei Autor:innen mit Lernbehinderung als Literatur-Bootschafter:innen beschäftigen und ihr Schreibtalent fördern. Die Firma AfB – Arbeit für Behinderung setzt sich für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung ein und gab im Rahmen der Preisverleihung bekannt, dass sie das Ohrenschmaus-Beschäftigungsprojekt im Bereich der Literatur unterstützen und der Projektgruppe sechs Computer kostenlos zur Verfügung stellen.

Der Literaturpreis Ohrenschmaus wurde 2007 vom Autor Franz-Joseph Huainigg initiiert, um „einen besonderen Blick auf die Welt zu geben, wie es die Ohrenschmaus-Autor:innen auf einzigartige Weise tun. Es geht nicht um Defizite, sondern um Fähigkeiten und Literatur. Kurz gesagt, um einen neuen Blick auf die Welt und auf Menschen mit Lernbehinderung! Was auch heuer wieder grandios gelungen ist“. Der Literaturpreis Ohrenschmaus kooperiert von Anbeginn mit Josef Zotter. Jedes Jahr kreiert dieser eine eigene Ohrenschmaus-Schokolade, in deren Banderole ausgewählte Texte zu lesen sind. In diesem Jahr wurde die Verpackung von Dino Kunkel von der Grafik-Anstalt gestaltet und beinhaltet drei ausgewählte Texte zum Jahresthema „Frieden“.