Grenzen ziehen ist wichtig

Claudia Altmann

Claudia Altmann ist in ihrer Praxis am häufigsten mit Überlastung und Erschöpfungssymptomen konfrontiert. Vor allem am Arbeitsplatz zählen Zeitdruck, Existenzangst, Perfektionismus oder Mobbing zu den häufigsten Auslösern für psychische Überbelastung. Im Interview erklärt die Gesundheitspsychologin, welche Rahmenbedingungen es braucht, um gut arbeiten zu können und wie man die Fähigkeit der Grenzsetzung erwirbt.

Access Guide Magazin: Was können ArbeitgeberInnen tun, damit der Stresslevel am Arbeitsplatz möglichst gering ist?

Claudia Altmann: Es ist wichtig, einen personenzentrierten Führungsstil zu implementieren, der an den individuellen Fähigkeiten der MitarbeiterInnen ansetzt. Ich erlebe immer noch häufig, dass Führungskräfte zwar aus dem Team kommend, fachlich kompetent sind, aber kaum Fortbildungen zum Thema Führung haben. So brauchen manche Menschen beispielsweise viel Gestaltungs- und Entscheidungsspielraum, um gut arbeiten zu können, andere sind damit rasch überfordert. Es braucht Führungskräfte, die verfügbar und verlässlich sind, offen für die Bedürfnisse der MitarbeiterInnen und gleichzeitig auch einen klaren, gemeinsamen Rahmen herstellen, an dem sich alle orientieren können.

Wesentlich dabei ist auch, die MitarbeiterInnen frühzeitig in Veränderungsprozesse einzubinden. Oft beschäftigen sich Geschäftsführungen schon lange mit Veränderungen, während die MitarbeiterInnen erst kurz davor ins Boot geholt oder gar vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Viele Menschen reagieren aber ängstlich auf Veränderungen und brauchen Zeit, sich damit auseinanderzusetzen.

Access Guide Magazin: Was braucht es außerdem?

Claudia Altmann: Genügend Ressourcen sind ein weiterer, wesentlicher Faktor – das heißt heutzutage hauptsächlich Personal. Viele Menschen wollen aufgrund fehlender Vertretungen nicht mehr auf Urlaub gehen, weil sie wissen, dass sie danach noch mehr Arbeit haben als vorher. Oder es plagt sie das schlechte Gewissen, wenn sie in den Krankenstand gehen, weil die Arbeit eine andere Kollegin übernehmen muss, die selbst schon an der Grenze der Belastbarkeit ist.

Darüber hinaus ist es wichtig, klare Abgrenzungen zwischen Arbeitszeit und Freizeit zu schaffen. Rufbereitschaften und Vertretungen sollten klar geregelt sein. Dabei sollte eine klare Kommunikation gefördert und Informationsflut vermieden werden. Das sind nur einige zentrale Aspekte. Die Liste ist sicher noch nicht vollständig.

Access Guide Magazin: Es gibt ja auch „gesunden“ Stress – wo verläuft die Grenze zum krankmachenden Stress?

Claudia Altmann: Gesunder Stress aktiviert uns, bringt uns ins Handeln und macht uns kreativ. Die Menschen sehen einen Sinn darin, sich für etwas anzustrengen, das ihnen wichtig ist. Sie sehen dann meistens auch Erfolg in dem, was sie tun. Das heißt, die Anstrengung muss sich für sie lohnen. UnternehmerInnen arbeiten oft sehr viel und verspüren im Vergleich dazu recht wenig Stress – weil sie es für sich, für ihr eigenes Unternehmen tun, das sie selbst aufgebaut haben und das ihren Werten entspricht. Aber auch kurze, fremdbestimmte Stressphasen machen nicht gleich krank. Stress macht krank, wenn er zu lange andauert. Körper und Geist brauchen Erholungspausen, in denen neue Kraft geschöpft werden kann.

Access Guide Magazin: Welche Angststörungen gibt es am Arbeitsplatz und was kann man dagegen tun?

In meine Praxis kommen häufig Menschen mit sozialen Ängsten wie die Angst vor anderen zu reden oder etwas vor anderen zu präsentieren oder Menschen mit Panikattacken. Bei Angststörungen gibt es mehrere Ansätze: einerseits kann man lernen, einen Umgang mit der Angst zu finden. Ängste sind oft Ausdruck von Überforderung. Andererseits ist eine genauere Auseinandersetzung mit der Angst sinnvoll, denn oft liegt die Ursache nicht dort, wo sie auftritt, sondern in früheren Erlebnissen.

Access Guide Magazin: Danke für das Gespräch.

Zum Artikel: Wenn der Job an die Psyche geht.