Besser schlafen

Image by Free Photos from Pixabay

Fast ein Drittel unseres Lebens verbringen wir im Bett. Schlaf ist enorm wichtig für unser körperliches und psychisches Wohlbefinden. Grund genug für das Access Guide Magazin, den inhaltlichen Schwerpunkt im Oktober diesem Thema zu widmen.

Der Schlaf wie wir ihn heute gewohnt sind, zu zweit oder allein im warmen Bett und dann sieben, acht Stunden durchschlafen, ist ein relativ junges Phänomen. „Unsere Vorfahren und tierischen Verwandten schliefen noch auf Bäumen, um vor Feinden geschützt zu sein“, erklärt der Schlafforscher Stefan Seidel von der Medi­­zinischen Universität Wien. Mit steigendendem Körpergewicht und höheren kognitiven Fähigkeiten haben Primaten zusehends Nachtlager in Form von Nestern auf Bäumen errichtet. Erst mit der Entdeckung des Feuers durch den Homo erectus sind die Schlaflager auf den Boden gewandert, weil das Feuer wärmte und Insekten abhielt. Das Schlafzimmer als Standard in Wohnungen und Häusern hat sich erst im Lauf des 19. Jahrhunderts entwickelt. Bis in das 20. Jahrhundert wurden diese Räume von allen Bewohner*innen genutzt. Erst ab der Mitte des 20. Jahrhunderts etablierten sich Schlafzimmer mit „persönlichen“ Betten für Erwachsene und Kinder.

Abgesehen von dieser allgemeinen Evolution des Schlafes, durchlebt auch jeder einzelne eine persönliche Entwicklung des Schlafes über die gesamte Lebensspanne hinweg. „Als Säugling schlafen wir 15 bis 16 Stunden und der Schlaf teilt sich in viele Phasen. Später konsolidiert sich der Rhythmus aufgrund des Tageslichts und geht vom tri,- über den bi,- bis zum monophasischen Schlaf bei Dunkelheit. Im höheren Alter wendet sich das Ganze wieder: alte Menschen konsumieren mehr kleinere Schläfchen. Das kann sich bis im Fall von neurodegenerativen Erkrankungen noch verstärken. Bei Alzheimerpatienten zerfällt der Tag-Nacht-Rhythmus praktisch in seine Einzelteile“, sagt Seidel (Ein ausführliches Interview mit Stefan Seidel gibt es hier). Parallel zum Alterungsprozess entwickeln sich auch zunehmend häufiger verschiedene Schlafstörungen.

Unruhige Nächte

Image by Free-Photos from Pixabay

Image by Free-Photos from Pixabay

70 Prozent der Schlafstörungen haben psychische Ursachen, bei 30 Prozent liegen organische Gründe vor. Schlafstörungen sind vielfältig und ihre Behandlung sollte am besten individuell erfolgen. „Zu den organisch bedingten Schlafstörungen gehören Schnarchen mit und ohne Atempausen (Schlafapnoe), das Syndrom der Ruhelosen Beine (Restless Legs Sydrom) oder Tagesschläfrigkeit. Übererregung beim Einschlafen, Depressionen oder nächtliche Panikattacken sind meist seelisch bedingt. Je nach Diagnose wird ein individueller Behandlungsplan erstellt“, erklärt Michael Saletu, Facharzt für Neurologie und europäisch zertifizierter Schlafmediziner (Ein ausführliches Interview mit Michael Saletu gibt es hier). Seiner Erfahrung nach können die besten Erfolge mit kognitiver Verhaltenstherapie in Kombination mit Entspannungs- und Achtsamkeitsübungen und generell einer angepassten Schlafhygiene erzielt werden. In schweren Fällen kann auch eine medikamentöse Therapie eingesetzt werden.

Was hilft bei Schlafstörungen?

Baldriantropfen, Hopfensaft oder verschreibungspflichtige Medikamente: Wer an schweren Schlafstörungen leidet, ist mit einer Therapie wohl am besten bedient. Das ist zwar die aufwändigste Behandlungsmethode, hat aber den nachhaltigsten Effekt. Als besonders erfolgreich gilt die Verhaltenstherapie, deren Grundprinzip es ist, betroffene Personen selbst zu Expert*innen ihrer eigenen Erkrankung zu machen. Bei Schlafstörungen komme das besonders zu tragen, weil die individuellen Gewohnheiten die zur Entspannung und Erholung führen für jeden unterschiedlich und in der Therapie bei Schlafstörungen zentral sind. „Ziel in der Therapie bei Schlafstörungen ist vor allem die Patientinnen und Patienten zu ermutigen, selbst aktiv zu werden, ihre Lebensweisen zu beobachten und in der therapeutischen Arbeit neu zu gestalten“, erklärt Bettina Habith, Psychotherapeutin in Ausbildung unter Supervision.

Zu den Bestandteilen einer Therapie gehören eine umfangreiche Erhebung der Ist-Situation, die Erforschung der Lebensgeschichte oder die Erhebung von Vorerkrankungen: „Es wird auch geklärt, ob die Schlafstörung im Rahmen einer anderen psychischen Erkrankung auftritt oder sie als selbstständige Diagnose vorhanden ist. Wenn eine Depression oder ähnliches im Vordergrund stehen, wird die Schlafstörung im Rahmen der Psychotherapie einer Depression mitbehandelt“, sagt Habith. Wichtig für den Erfolg der Behandlung ist die Schlafhygiene. Sie umfasst z.B. geregelte Schlafzeiten und den Auftrag, nur bei Müdigkeit ins Bett zu gehen oder einen ruhigen, abgedunkelten Schlafraum mit einer Temperatur von 15 bis 18 Grad Celsius. Günstig sei auch, sich „Schlafrituale“ anzugewöhnen.

„Eines der wichtigsten Werkzeuge in in der Behandlung von Schlafstörungen sind Wach- und Schlaftagebücher. Sie dienen dazu, ein umfangreiches Bild zu erhalten wie viele Stunden man schläft, ob es längere Wachphasen gibt und wie die Schlafqualität bewertet wird“, erklärt Habith. Im Wachtagebuch werden Tätigkeiten und Tagesereignisse erfasst die den Schlaf beeinflussen könnten. Dabei sei vor allem die individuelle Einschätzung der Patient*innen wichtig, weil diese in der Regel am besten wissen was beruhigt oder „aufregt“. Unterstützt werden die Patient*innen bei der Auffindung von Einflüssen von ihren Therapeut*innen.

Durch die kognitive Verhaltenstherapie können Menschen mit Schlafstörungen erkennen, welche Aktivitäten ihren Schlaf verhindern  und wie sie diese minimieren können, bzw. jene Tätigkeiten verstärken, die schlaffördernd sind. Man lernt dabei auch Techniken um negative Denkmuster, wie das nächtliche Grübeln, zu beseitigen. „Durch Methoden wie die kognitive Umstrukturierung, den Gedanken-Stopp oder das Schreiben eines Gedankentagebuchs, sowie Arbeiten an der inneren Einstellung der Betroffenen weg von der Hilflosigkeit hin zu einem aktiven und selbstbefähigten Lösungsfinden können neue Bewältigungsstrategien entwickelt werden“, beschreibt Habith. Wichtig sei auch das Erlernen von Entspannungsverfahren wie etwa die progressive Muskelrelaxation nach Jacobson. Darüber hinaus wird in der Therapie daran gearbeitet, Ess-, und Bewegungsgewohnheiten zu adaptieren oder allgemeine private und berufliche Tagesabläufe zur Förderung der Schlafqualität zu verändern.

Grundsätzlich bestehe auch die Möglichkeit Schlafstörungen mittels Psychopharmaka zu behandeln, vor allem bei chronischen Verläufen ohne organische Ursachen. Das sollte aber nicht das Mittel der ersten Wahl sein. „Kurzfristig können Psychopharmaka zwar gut wirken, langfristig besteht aber die Gefahr, dass sich die Schlafprobleme noch verstärken und es zu einer Abhängigkeit kommt, wodurch dann ein „gesunder“ Schlaf ohne Medikamente nur noch schwer erreichbar ist“, warnt Habith. Darüber hinaus hindern Psychopharmaka die Patient*innen oft auch daran, sich mit der eigenen Erkrankung auseinanderzusetzen und dadurch selbstgesteuert dysfunktionale Verhaltensweisen durch hilfreiche und schlaffördernde zu ersetzen.

Apps und Co.

Ursula Neubauer © Natalie Paloma Photographie

Ursula Neubauer © Natalie Paloma Photographie

Hilfe bei Schlafproblemen gibt es inzwischen auch aus der digitalen Welt. Zahlreiche Apps, wie Calm oder Pzizz versprechen Hilfe beim Einschlafen. Ursula Neubauer hat ebenfalls Audiofiles produziert, die beim Einschlafen helfen sollen. Die Schreibtherapeutin, hypnosystemische Coach und psychologische Beraterin arbeitet momentan im Rahmen ihrer Masterthesis an einer wissenschaftlichen Schlafstudie an der Milton Erickson Akademie in Kooperation mit der Sigmund Freud Universität Wien. Dabei kommen Audios aus Hypnosystemik und Schreibprozess zum Einsatz: „Die Audios enthalten eine Mischung aus geführter Meditation und angeleitetem Schreibprozess. Beim Schreiben geht es nicht darum, dass ein guter Text herauskommt, sondern nur um die Wirkung des Schreibens“, erklärt Neubauer. Untersucht wird das Einschlafverhalten von gesunden Menschen, bei denen Schlafprobleme häufig daran liegen, zu viel nachzudenken, zu grübeln oder sich Sorgen zu machen. Die Studie läuft über einen Zeitraum von sechs Wochen. Danach könnten die Audios als Download-Paket auf den österreichischen Markt kommen. “Ich rechne damit, dass die Teilnehmenden schneller einschlafen und wahrscheinlich auch tiefer schlafen, wenn sie vorher mit den Audios gearbeitet haben, denn sowohl der meditative Teil als auch das Schreiben wirken entlastend und sorgen für Entspannung – und beides fördert erholsamen Schlaf.”