Für Körper und Geist

Carina Dinhof © Laszlo Roth 1

Sich wie eine Akrobatin durch die Luft zu schwingen, braucht schon ein wenig Mut dafür, die eigenen Grenzen zu überwinden. Bei Aerial Silk wird an meterlangen Tüchern geturnt, die senkrecht von der Decke hängen. Carina Dinhof übt seit einigen Jahren diese Sportart aus. Im Access Guide Magazin erzählt die Biotechnologin und Ausbildungskandidatin für Psychotherapie im Fachbereich Verhaltenstherapie über das Turnen an Tüchern.

Access Guide Magazin: Was fasziniert Dich an Aerial Silk?

Carina Dinhof: Ich habe schon viele Sportarten ausprobiert – vom Reiten über´s Tanzen bis hin zum Kampfsport. Vor fünf Jahren war ich bei Aerial Silk Schnupperstunde dabei. Das hat mir unheimlich viel Spaß gemacht. Ich habe dann mindestens einmal pro Woche trainiert und mich kontinuierlich weiterentwickelt. Das Faszinierende an Aerial Silk ist das Gefühl der Schwerelosigkeit und dass man keinen Boden unter den Füssen hat. Man muss auf den eigenen Körper hören, kann sich frei in alle Richtungen bewegen und sogar kopfüber von der Decke hängen. So kann man die Welt aus einer anderen Perspektive betrachten. 2018 habe ich dann auch die Trainerinnenausbildung gemacht und Kurse für Kinder und Jugendliche, aber auch Erwachsene geleitet. Aus bekannten Gründen finden momentan leider keine statt.

Access Guide Magazin: Welche positiven Effekte hat Aerial Silk?

Carina Dinhof: Man spürt sich selbst besser und nimmt seinen Körper deutlicher wahr. Dadurch entwickelt sich eine ganz andere Art von Selbstvertrauen, die darauf basiert, dass man sich mit eigener Kraft halten muss. Es dauert eine Zeitlang, bis man sich selbst so weit vertraut, dass man das wirklich kann. Die Gruppe ist dabei ein wichtiger Faktor. In den offenen Trainings gibt es einen sehr guten Gruppenzusammenhalt. Man feuert sich gegenseitig an. Außerdem ist es wichtig, sich auf andere verlassen zu können, weil man von ihnen gesichert wird. Aerial Silk ist kein Sport, den man für sich allein macht – auch dann nicht, wenn man allein an einem Tuch ist.

Carina Dinhof © Laszlo Roth

Carina Dinhof (beide Fotos) © Laszlo Roth

Bei den Kinderkursen war für mich sehr spannend zu sehen, wie natürlich sie sich bewegen. Sie probieren einfach aus. Erwachsene haben da viel größere Hemmschwellen. Wenn sich erwachsene Anfänger*innen in den Tüchern verknoten, geraten sie meist in Panik. Kinder können sich fast immer selbst befreien, ohne panisch zu werden und probieren es gleich noch einmal.

Access Guide Magazin: Wie wirkt sich die Sportart auf die psychische Befindlichkeit aus?

Carina Dinhof: Ich hatte einmal zwei Schwestern im Kurs. Die jüngere der beiden war vom Start weg sehr gut und hat sich am Tuch wohlgefühlt. Ihre ältere Schwester hat ein Semester lang mehr zugeschaut und sich weniger auf neue Tricks eingelassen. Sie hat sich einfach weniger zugetraut. Später hat sie eine Freundin im Kurs gefunden, mit der sie verschiedene Übungen ausprobiert hat. Sie ist immer besser bzw. sicherer am Tuch geworden und hat mehr Selbstvertrauen gewonnen. Für mich war das sehr schön zu sehen, wie das Mädchen den Sprung vom Rückzug in Richtung Vertrauen geschafft hat.

Was sich durch Aerial Silk noch deutlich verbessert, ist die Merkfähigkeit. Nach dem ersten Lockdown gab es wieder Kurse und obwohl viele Wochen ohne Training vergangen waren, haben sich fast alle ihre Übungen gemerkt und wir konnten nahtlos anknüpfen. Das Körpergedächtnis wird also geschult.

Access Guide Magazin: Wie profitierst Du persönlich durch die Tuchakrobatik?

Carina Dinhof: Ich kann dabei super abschalten. Egal wie stressig mein Arbeitstag war – sobald ich an den Tüchern turne, ist alles Belastende weg. Ich glaube auch, dass mich das Training viel kreativer macht, wenn es darum geht, Probleme im Alltag oder Beruf zu lösen.

Access Guide Magazin: Danke für das Gespräch.