Positive Signale

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2023 waren im Jahresdurchschnitt rund 915.000 Personen in Wien unselbständig beschäftigt, das sind 1,9 Prozent mehr als 2022. Damit wurden allein in den vergangenen acht Jahren 100.000 Jobs in Wien geschaffen.

Das Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO sieht für Wien für 2023 noch ein knappes Plus von 0,1 Prozent bei der Bruttowertschöpfung, bundesweit ein Minus von 0,6 Prozent. Für 2024 wird für Wien ein Wirtschaftswachstum von 1,3 Prozent erwartet, für Österreich 1,1 Prozent. Das bedeutet, das nach einer Stagnation der Bruttowertschöpfung 2023 im heurigen Jahr eine leichte Erholung eintreten sollte. Die Wiener Wirtschaft wird 2024 schneller wachsen als die gesamte österreichische Wirtschaft.

Trotz dieser positiven Entwicklung ist der wirtschaftliche Abschwung dennoch am Arbeitsmarkt angekommen. Die Zahl der Arbeitslosen und Schulungsteilnehmer:innen steigt und lag 2023 im Durchschnitt bei 142.515 Personen, was ein Plus von 3,0 Prozent gegenüber 2022 bedeutet. Damit liegt die Arbeitslosigkeit in Wien auch über dem Wert im November 2019 vor der Corona-Pandemie. Während die Arbeitslosigkeit bei den über 50-Jährigen sinkt, ist in der Gruppe der 15-24-Jährigen ein Anstieg zu verzeichnen.

Das Fachkräfteangebot bleibt ein relevanter Faktor für die wirtschaftliche Entwicklung. Deshalb hat die Stadt Wien das Fachkräftezentrum im waff eingerichtet. Das Fachkräftezentrum der Stadt Wien im waff bringt die relevanten Stakeholder zusammen, identifiziert die Herausforderungen und unterstützt bei der Entwicklung von Problemlösungsstrategien.

Ausgangsposition am Standort Wien

Die vergangene und prognostizierte Bevölkerungsentwicklung ist für die Fachkräftesicherung in Wien eine wichtige Basis. Hier geht die Entwicklung Wiens in eine klare Richtung. Nach einem starken Anstieg der Wohnbevölkerung in den vergangenen zehn Jahren wird auch in den kommenden Jahren ein leichter Zuwachs vorhergesagt. Von 2013 bis 2023 ist die Bevölkerung in Wien um 13,9 Prozent auf über zwei Millionen Einwohner:innen gewachsen. Bis 2030 kann der historische Bevölkerungshöchststand aus dem Jahr 1910 mit 2,08 Millionen Einwohner:innen übertroffen werden und bis 2053 wird mit einem weiteren Wachstum auf 2,29 Millionen Einwohner:innen gerechnet.

Mit der Wohnbevölkerung steigt in Wien zukünftig auch die Zahl der Erwerbspersonen an. Die Statistik Austria prognostiziert von 2022 bis 2030 ein Plus von 63.000 Personen im erwerbsfähigen Alter während im übrigen Österreich ein Rückgang von 33.000 Personen erwartet wird. Wien ist aufgrund des breiten Angebots an 23 Hochschulen und der ausdifferenzierten Weiterbildungslandschaft ein höchst attraktiver Standort für rund 193.000 Studierende. Das Angebot an hochqualifizierten Arbeitskräften in der Metropolregion Wien mit 274.000 Einpendler*innen zieht auch Unternehmen an. 2022 haben sich 237 internationale Betriebe in Wien angesiedelt.

Bürgermeister Michael Ludwig sieht aus mehreren Gründen für die Fachkräftesicherung in Wien eine gute Ausgangsposition: „Wir haben mit der Strategie Wien 2030 – Wirtschaft & Innovation einen klaren Weg der Weiterentwicklung des Wirtschaftsstandorts Wien eingeschlagen. Darin sind die sechs Spitzenthemen wie etwa Gesundheitsmetropole, Digitalisierung, smarte Produktion in der Großstadt und Kultur- und Kreativmetropole Wien benannt. Die Fachkräftesicherung ist für die Metropolregion Wien, die Stadt und ihre Leistungsfähigkeit von hoher Bedeutung. Gemeinsam mit den Sozialpartnern arbeiten wir auf Basis von bestehenden Vereinbarungen an einem weiter wirtschaftlich prosperierenden und lebenswerten Wien. Fachkräftesicherung ist damit Teil der Raus-aus-Gas-Strategie genauso wie der Digitalen Agenda Wien.”

Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke sieht in der steigenden Zahl der erwerbsfähigen Wiener:innen aber auch der Anziehungskraft Wiens für Arbeitskräfte aus anderen Bundesländern das wesentliche Potential für den Wirtschaftsstandort Wien: „Jetzt geht es darum, das Potential bestmöglich zu nutzen – von der Ausbildung über den Berufseinstieg bis hin zur gesamten beruflichen Laufbahn.” Das AMS Wien sei der wichtigste Partner, wenn es um die Qualifizierung von arbeitsuchenden Menschen geht. Die Stadt Wien bietet über den waff ein breites Angebot, um Aus- und Weiterbildungen zu unterstützen und um mit speziellen Programmen gemeinsam mit dem AMS Wien Wiener:innen für gesuchte Branchen auszubilden. Gleichzeitig seien auch die Unternehmen in Wien gefordert, sowohl was die Lehrausbildung als auch die Weiterentwicklung ihrer Mitarbeiter:innen betrifft.

Renate Anderl, Präsidentin der Arbeiterkammer, sieht den Fachkräftebedarf als Chance für Arbeitnehmer:innen: „Den Fachkräftemangel beheben heißt immer auch den Aufstieg von Arbeitnehmer:innen fördern.“ Niemand müsse für immer in einem Job sein, mit dem man unzufrieden ist. Es gebe Unterstützung auf dem Weg zur beruflichen Veränderung. „Wichtig ist uns als Arbeiterkammer, dass Aus- und Weiterbildungen gut leistbar und mit dem Familienleben gut vereinbar sind“, so Ander.

Alexander Biach, Direktor-Stellvertreter der Wirtschaftskammer Wien, sieht in der aktuellen Entwicklung eine große Chance für die Lehrausbildung: „Fachkräfte sind in vielen Bereichen gefragt, besonders mit digitalen und Klimaschutzkompetenzen. Lehrausbildungsbetriebe haben hier einen entscheidenden Vorteil gegenüber jenen, die keine Lehrlinge ausbilden.“ Wien hätte in den vergangenen Monaten den größten Zuwachs an Lehranfänger:innen aller Bundesländer. Aktuell bilden die Wiener Betriebe um zwölf Prozent mehr Lehrlinge aus als vor Corona.

Personalmangel ist nicht automatisch Fachkräftemangel

Nicht jede Klage über eine unbesetzte Stelle bedeutet einen Fachkräftemangel. Konkrete Unternehmen aber auch ganze Branchen können einen Personalmangel aufweisen, obwohl am Arbeitsmarkt grundsätzlich genügend Fachkräfte mit geeigneten Qualifikationen vorhanden sind. Diese sogenannten Mismatches können auf fehlende geografische oder berufliche Mobilität oder unterschiedliche Vorstellungen von Arbeitgeber:in und Arbeitnehmer:in in Bezug auf Bezahlung, Arbeitszeiten, Arbeitsbelastung und sonstige Rahmenbedingungen zurückzuführen sein. Gerade für das AMS ist das Matching von arbeitslosen Personen mit ausgeschriebenen Stellen eine zentrale Aufgabe und Herausforderung.

Fachkräftezentrum der Stadt Wien

Ein hinreichendes Arbeitskräfteangebot, insbesondere aber die Verfügbarkeit gut qualifizierter Fachkräfte ist ein entscheidender Standortfaktor. Die Stadt Wien hat deshalb im waff ein Fachkräftezentrum eingerichtet. Das Fachkräftezentrum ist eine Art Ideenschmiede, die alle relevanten Player an einen Tisch bringt und vor allem zwei wesentliche Aufgaben erfüllt: Erstens sollen die Bedarfssituation in Wien systematisch analysiert und frühzeitig Problemstellungen erkannt werden. Zweitens hat das Fachkräftezentrum die Aufgabe, alle für die Entwicklung von effektiven Problemlösungsstrategien relevanten Verantwortungsträger an einen Tisch zu bringen und bei der Entwicklung von konkreten Lösungsstrategien unterstützend und koordinierend zur Verfügung zu stehen.

Eine umfassende Status-Quo-Erhebung der Fachkräftesituation in Österreich bzw. verlässliche Prognosen zum zukünftigen Fachkräftebedarf sind hingegen aufgrund unzureichender Datenlage in Österreich nicht möglich. Bedarfe müssen von Fall zu Fall analysiert werden. Fest steht, dass nationale Ergebnisse allein schon aufgrund der unterschiedlichen demographischen Entwicklung mit Hinblick auf die Erwerbsbevölkerung nicht 1:1 auf Wien umgelegt werden können. Ein Ziel des Fachkräftezentrums ist, trotz dieser unzureichenden Datenlage einen Beitrag für eine solide Analyse der Fachkräftesituation in Wien zu leisten.

Das Fachkräftezentrum wurde von einer Steuergruppe aus Arbeiterkammer Wien, Wirtschaftskammer Wien, Österreichischer Gewerkschaftsbund, Industriellenvereinigung, Bildungsdirektion Wien und AMS Wien sowie MA 23 – Wirtschaft, Arbeit und Statistik und Wirtschaftsagentur Wien entwickelt. Aus der gemeinsamen Grundlagenarbeit gingen drei Handlungsfelder des Fachkräftezentrums für den Zeitraum bis 2025 hervor: Digitalisierung, Ökologisierung und kommunale Daseinsvorsorge.

Handlungsfeld Digitalisierung

Digitalisierung und Ökologisierung sind die großen Themen des Wandels weltweit. Im Bereich der Digitalisierung geht es sowohl um digitale Kompetenzen der gesamten Bevölkerung als Teil der gesellschaftlichen Teilhabe als auch um die Ausbildung von Spezialist:innen für die IT-Branche und darüber hinaus. Die IKT Branche erzielt mit 8.800 Unternehmen und rund 67.000 Beschäftigten eine Bruttowertschöpfung von rund acht Milliarden Euro und macht über zehn Prozent der Umsätze der Wiener Wirtschaft aus und gehört zu den am stärksten wachsenden Branchen. Die Hälfte des gesamtösterreichischen IT Fachkräftebedarfs besteht in Wien. Laut einer Befragung von Unternehmen der Branche Unternehmensberatung-IT (UBIT) fehlen in Wien rund 5.800 Fachkräfte in den Wiener IT-Unternehmen.

Dieser Bedeutung muss auch am Ausbildungssektor Rechnung getragen werden. Grundsätzlich verfügt Wien mit den bestehenden sechs HTL sowie den Fachhochschulen und Universitäten im Bereich der IT über eine gute Infrastruktur. Doch um den künftigen Bedarf an Expert*innen in der IT zu decken, braucht es mehr Absolvent*innen. Aus diesem Grund wird in Wien von der Wirtschaftskammer Wien in Zusammenarbeit mit der Stadt Wien die Gründung einer neuen HTL mit digitalem Schwerpunkt angestrebt. Schon im Vorjahr hat die Coding Schule 42 Vienna mit Unterstützung unter anderem der Arbeiterkammer Wien, der Wirtschaftskammer Wien und des waff ihren Betrieb aufgenommen. Aktuell sind 280 Personen in Ausbildung, die ersten Absolvent*innen werden Ende des heurigen Jahres auf den Arbeitsmarkt kommen.

Handlungsfeld Ökologisierung

Die Ökologisierung der Wirtschaft kann ein neuer Beschäftigungsimpuls für den Arbeitsmarkt in der Metropolregion Wien werden. Denn laut OECD liegt der Anteil der klimaschädlichen Berufe im Osten Österreichs um acht Prozentpunkte unter jenem im Westen Österreichs. Zudem wird der Weg zur klimaneutralen Stadt mit der Sonnenstromoffensive und der Raus-aus-Gas-Strategie den Bedarf nach Fachkräften steigen lassen. Renate Anderl, Präsidentin der Arbeiterkammer: „Wir wollen die Chance der Ökologisierung für die Arbeitnehmer:innen nutzen, etwa im Bereich der Kreislaufwirtschaft. Dafür braucht es gute Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, wie sie etwa im Projekt Öko-Booster für kommende Elektrotechniker:innen und Gebäude- und Installationstechniker:innen geboten werden.”

Für die Erreichung der klimaneutralen Stadt 2040 werden Fachkräfte mit Lehrabschluss im Bereich der Ökologisierung absolut notwendig sein. 2022 haben 2.617 Lehrlinge ihre Ausbildung in diesen Berufen erfolgreich abgeschlossen, 152 weniger als 2021. Um diese Zahl zu erhöhen und den Betrieben einen Anreiz zur Ausbildung zu geben, fördert der waff die Lehrausbildung in klimaschutzrelevanten Berufen. Ein Lehrausbildungsbetrieb erhält bis zu 9.900 Euro für einen Lehrling im ersten Lehrjahr bzw. bis zu 15.000 Euro für einen Lehrling im zweiten Lehrjahr.

Handlungsfeld Daseinsvorsorge

Neben dem digitalen und ökologischen Wandel stellt auch die kommunale Daseinsvorsorge Ansprüche an die Fachkräftesicherung. Stadtrat Peter Hanke: „Wir sehen, dass die Stadt Wien allein bis 2030 21.000 neue Mitarbeiter:innen braucht, da die Baby Boomer Schritt für Schritt in Pension gehen. Wien hat als jüngstes Bundesland demografisch und altersstrukturell sehr gute Voraussetzungen was den ‘Generationen-Turnover’ am Arbeitsmarkt betrifft. Hier wollen wir weiter ein attraktiver Arbeitgeber für Fachkräfte in Wien sein. Gleichzeitig arbeiten wir bereits mit dem waff und dem AMS Wien zusammen, um gezielt künftige Mitarbeiter:innen auszubilden.”

Ein Bereich der Daseinsvorsorge ist die Pflege und Betreuung. Allein in der Langzeitpflege wurde bis 2030 ein Bedarf von zusätzlich 9.121 Personen prognostiziert. waff und AMS Wien sind hier seit Jahren aktiv und das mit Erfolg. 51 Prozent aller Neueinsteiger:innen in eine Pflegeausbildung haben 2022 mit dem Programm Jobs PLUS Ausbildung eine Pflegeausbildung begonnen. Die finanzielle Unterstützung durch das AMS Wien und das Wiener Ausbildungsgeld des waff tragen hier wesentlich zur Attraktivität bei. Teilnehmende Personen erhalten mindestens rund 1.400 Euro pro Monat während der gesamten Ausbildung. 2023 wurden 1.396 Personen über den waff in Pflege- und Betreuungsberufen ausgebildet, 2024 sind 1.707 geplant.

Auch in der Elementarpädagogik, bei der für Wien bis 2030 1.900 zusätzliche Elementarpädagog*innen prognostiziert wurden, haben waff und AMS Wien das attraktive Angebot gemacht. Bislang sind schon 440 Wiener:innen über den waff in die Elementarpädagogik-Ausbildung eingestiegen. 2024 werden die ersten Absolvent:innen in den Job starten, weitere 88 beginnen mit der Ausbildung.