Schnecken für die Zukunft

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Ende November ist die Saison für Schnecken eigentlich schon vorbei. Die Weichtiere haben sich in ihre Häuschen zurückgezogen, um in der Erde oder im Keller zu überwintern. Die Arbeit für Andreas Gugumuck und sein Team läuft trotzdem weiter. Die Felder werden für das nächste Frühjahr aufbereitet, in der Betriebsküche wird an einem siebengängigen Schneckenmenü für den Abend gearbeitet.

Auf die Idee mit den Schnecken kam der ehemalige IT-Manager vor fast 15 Jahren. 2010 wandelte er dann den Hof seiner Familie in Rothneusiedl in eine Schneckenmanufaktur um. Früher wurde auf dem Hausacker der Gugumucks Suppengrün angebaut. Heute fressen dort die Schnecken das Wurzelgemüse. Andreas Gugumuck (im Bild oben © Felix Mayr) setzt mit seiner Schneckenzucht eine lang vergessene Tradition fort. Im 18. Jahrhundert galt Wien als „Schneckenhauptstadt“ Europas. Besonders beliebt waren Schnecken während der Fastenzeiten, die nicht nur vor Ostern, sondern auch im Advent gehalten wurden. Schnecken sind weder Fleisch, noch Fisch und somit hervorragend als Fastenspeise geeignet. „Schnecken sind gute Geschmacksträger und sehr vielseitig anwendbar. Die klassische Weinbergschnecke schmeckt nach Kalb mit erdig-nussiger Note“, beschreibt Gugumuck. Neben der klassischen Weinbergschnecke züchtet er auch noch zwei mediterrane Sorten.

„Für unsere Gartenbar versuchen wir ein sehr authentisches Farm-to-Table-Konzept zu verwirklichen und bauen zum Großteil unser eigenes Gemüse an. Im nächsten Jahr werden wir auch noch einen 3500 m2 Marketgarden anlegen“, sagt der Schneckenfachmann. Der Großteil des im Betrieb gezogenen Gemüses wird an die Schnecken verfüttert werden, der Überschuss geht an Restaurants oder in den Ab-Hof-Verkauf. Jedes Jahr werden rund 300000 Schnecken gezüchtet, in Gewicht gerechnet, ergibt das über eine Tonne Schneckenfleisch. Daraus werden auch zahlreiche Feinkostprodukte hergestellt, darunter ein mediterranes, geräuchertes Schnecken Sugo, klassisches Schneckengulasch und vieles mehr.

Die arbeitsintensivste Zeit in der Schneckenzucht reicht von Frühling bis Ende Herbst. Im Frühjahr werden die ersten Futterpflanzen für die Schnecken in Folientunneln vorgezogen. Zu den bevorzugten Speisen der Schnecken zählen Mangold, Raps oder Senf und Salat: „Schnecken essen am liebsten alles Grüne, das wenig Abwehrstoffe hat, also nicht bitter ist“, sagt Gugumuck. Ergänzt wird das betriebseigene Futterangebot mit Gemüse von Bauern aus Unterlaa. Der Onkel von Andreas Gugumuck baut auch noch Getreide an, das gemahlen und mit Futterkalk angereichert wird und als Ergänzungsfutter für die Schnecken dient, damit deren Häuser schön fest werden.

Wiener Schnecken im Fonds Augarten

Wiener Schnecken im Fonds © Augarten

Nachhaltige Lebensmittelproduktion

Die Schnecken werden in Freilandkultur mit vielen Schattenplätzen gezüchtet. So sind sie wie in ihrem natürlichen Lebensraum, dem Waldrand, wo Schatten und Sonne aufeinandertreffen. Weinbergschnecken brauchen zwei Jahre, bis sie ausgewachsen sind, die mediterranen Schnecken sind in fünf Monaten fertig. Letztere sind in unseren Breitengraden mittlerweile in der freien Natur zu finden, weil der Klimawandel auch bei uns angekommen ist. Im Frühsommer können Gäste der Schneckenmanufaktur auch im Freien dinieren. Die Gartenbar bietet zahlreiche Spezialitäten rund um die Schnecke: von Flammkuchen über Schneckenleberkäse bis zu „Snail & Chips“. Ein sommerlicher Favorit des Hausherrn selbst ist der Gartensalat mit Räucherschnecken und wachsweichem Ei.

Attraktiver Praktikumsbetrieb

Andreas Gugumuck ist es ein großes Anliegen, realisierbare und zukunftsweisende Ernährungskonzepte zu entwickeln, die sich durch hohe Umweltverträglichkeit auszeichnen. Er ist Kooperationspartner des Qualifizierungsseminars „Ökoinnovation“ der FH-Wien, welches einen anwendungsorientierten Zugang zum Themenkreis „Bewertung und Verbesserung der Nachhaltigkeit von Produkten und Prozessen“ bietet. Die Ziele umfassen das Kennen und Verstehen der Beweggründe, die Anwendung der Methoden der Nachhaltigkeitsbewertung, das Identifizieren von Nachhaltigkeitsanforderungen, das Ableiten der Maßnahmen zur Produkt- und Prozessgestaltung sowie das Vorantreiben der Maßnahmen und die Kommunikation im Unternehmen. Weiters ist der Gugumuck-Hof Praktikumsbetrieb für den Studiengang Nachhaltiges Lebensmittelmanagement am FH Joanneum und für Landwirtschaftliche Fachschulen. „Wir wollen ein attraktiver Arbeitsgeber für Praktikant:innen aus der Landwirtschaft oder dem Tourismus sein. Bei uns kann man den gesamten Kreislauf vom Anfang bis zum Ende mitverfolgen, von der Fütterung, übers Sammeln, Kochen bis zur Belohnung am Gast, wenn dort ein fertiges Gericht steht. Unsere Praktikant:innen sind nicht nur ein kleines Rädchen im Getriebe, sondern werden in alle Bereiche der Landwirtschaft eingebunden“, sagt Gugumuck.

Umweltfreundliche Landwirtschaft

Für Andreas Gugumuck ist der ökologische Aspekt sehr wichtig: „Die Schneckenzucht ist ein äußerst nachhaltiges Projekt, der Boden wird nicht ausgelaugt, man kann sie auf einer kleinen Fläche mit minimalem Footprint züchten. Es gibt keine Gülle, wenig Futtermittel und man braucht wenig Wasser. Außerdem hat Schneckenfleisch viermal so viel Eiweiß wie Rindfleisch und ist damit eine hervorragende Alternative für die Zukunft“, sagt Gugumuck. Weinbergschnecken stehen in Österreich unter Artenschutz und dürfen in der freien Natur nicht gesammelt werden. Neue Konzepte der urbanen Landwirtschaft, wie sie auf der Schneckenfarm von Andreas Gugumuck gelebt und weiterentwickelt werden, können die Umwelt ganz wesentlich entlasten. Im Gegensatz zur herkömmlichen Fleischproduktion wachsen Schnecken ressourcenschonend auf. Schnecken benötigen beispielsweise 85 % weniger Futtermittel als Rinder, um 1 Kilogramm Muskelfleisch zu erzeugen.

Schnecken Manufaktur mit Bistro

Wiener Schneckenmanufaktur mit Bistro © Karin Nussbaumer

Manufaktur in Holzriegelbau

Die Minimierung ökologischer Effekte ist Andreas Gugumuck ein grundsätzliches Anliegen. Diese Gedanken sollen sich auch in der Manufaktur und in der Unternehmenskultur widerspiegeln: So wurde das Betriebsgebäude als Holzbau in Riegelbauweise errichtet, denn Holz symbolisiert Ursprung und Nachhaltigkeit als nachwachsender Rohstoff am besten und hat als Baustoff die beste Nachhaltigkeitsperformance. Bei der Einrichtung wurde darauf geachtet, dass keine Materialien verwendet werden, die Schadstoffe, Lösungsmittel oder Biozide enthalten. Die Innenwände wurden mehrmals mit Kalk gebürstet, die Böden sind mit grünem Steinmehl gespachtelt und der Schiffboden im Obergeschoss ist aus Fichte und mit natürlichen Rohstoffen gewachst.

Weitere Infos: Wiener Schneckenmanufaktur Gugumuck

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bilder

 

Wiener Augarten Schneckenpfanne © Augarten

Schnecken Manufaktur mit Bistro, ökologischer Gedanken, Unternehmenskultur, Holzriegelbau © Karin Nussbaumer