Training gegen Trauer

Katrin Biber © Peter Koren 2

Katrin Biber wuchs als älteste von vier Schwestern im Tiroler Reutte auf. Im Herbst 2013 wurde ihre Schwester Larissa von deren damaligem Freund ermordet. Nach einer langen Trauerphase fand Katrin schließlich ihren Weg zurück ins Leben. Eine Schlüsselrolle dabei spielte Bewegung. Heute ist sie als Sport- und Trauerbegleiterin erfolgreich. In ihrem Buch „Seelensport“ erklärt die 35-Jährige wie man Lebenskrisen durch Training bewältigen kann.

Wohin mit den schweren Gefühlen, die einen erdrücken und nicht weichen wollen? Runterschlucken, wegessen, wegtrinken, ignorieren, verdrängen und sich davon ablenken? Katrin Biber hat genau das gemacht, als sie durch den Tod ihrer Schwester in eine tiefe Krise geriet: „In der Nacht vom 13. auf den 14. September 2013 verschwand meine Schwester Larissa ganz plötzlich. Mit meinen Eltern und meinen beiden anderen jüngeren Schwestern zusammen begann eine zwei Wochen andauernde Suche. Am 27. September erreichte uns schließlich die Nachricht, dass Larissa von ihrem Freund ermordet und anschließend im Inn, dem Stadtfluss von Innsbruck, „entsorgt“ worden war“, schreibt Katrin Biber im Vorwort zu ihrem neuen Buch „Seelensport“.

Alle früheren Krisen erschienen ihr in diesem Moment klein und unwichtig. Katrin Biber wurde von einer Explosion der schmerzvollsten Gefühle überrollt, die sie auch noch über die folgenden Monate beherrschen sollte. Ziemlich bald nach Larissas Tod ging Katrin Biber zwar regelmäßig zur Psychotherapie, wo sie lernte, über ihre Gefühle zu sprechen. Die Therapie half ihr, sich zu sortieren und vieles aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Dennoch spürte sie, wie die schmerzlichen Emotionen in ihrem Körper festsaßen. „Nach jeder Sitzung fühlte ich mich noch zerschlagener als zuvor. Mein Körper schrie nach Beachtung und vor allem nach Bewegung. Jedes Mal, wenn ich weinend die Praxis verließ, von oben bis unten zitternd, spürte ich einen Drang in meinen Beinen und Armen. Ich wollte losrennen, um mich schlagen, laut schreien. Besonders schlimm war es, wenn die Wut mich im Griff hatte. Doch ich schluckte sie runter, drängte die Gefühle zurück, verdrängte, ging nach Hause und trank stattdessen ein paar Schluck Alkohol oder aß Ungesundes, um den emotionalen Hunger zu stillen“, beschreibt Katrin Biber.

Aufgrund eines ärztlichen Rates begann sie dann zu trainieren. Über einen Umweg ins Fitnesscenter entdeckte sie das sogenannte Bodyweight-Training, bei dem man ohne Geräte nur mit dem eigenen Körpergewicht trainiert. Auf dieser Grundlage entwickelte Katrin Biber ihr eigenes Trainingskonzept „Seelensport: Es verbindet gezielt Gefühle und körperliches Training. Der Fokus liegt nicht beim Muskelaufbau oder in der körperlichen Fitnessverbesserung, sondern darin, belastende Gefühle im Körper auszudrücken. Der Fitnesseffekt passiert nebenbei. Verknüpft mit Affirmationsgeschichten lernt man so bewusst mit Gefühlen umzugehen“, erklärt Katrin Biber.

Ihr Trainingskonzept richtet sich an Menschen, die Verluste, Krisen und besondere Herausforderungen erlebten und mit ihrer Gefühlswelt überfordert sind beziehungsweise kaum Platz im Alltag dafür finden. Aber auch Menschen, die sich grundlegend eingehender mit ihren Gefühlen beschäftigen wollen, könnten davon profitieren. Aus eigener Erfahrung weiß Katrin Biber, wie wichtig Sport und Bewegung in Krisenzeiten ist: „In solchen Situationen sind wir schnell gestresst und müssen im Alltag oft unsere Gefühle unterdrücken. Das belastet den Körper und es kann zu psychosomatischen Folgen kommen, wie Kopf- und Nackenschmerzen oder Verdauungsbeschwerden. Mit Hilfe von moderatem Sport können wir den Körper entlasten, ihn kräftigen und Stress und Überforderung abbauen“, weiß Katrin Biber. Ihr Buch „Seelensport“ ist Anfang März im Piper Verlag erschienen. Bild Katrin Biber © Peter Koren