Was bleibt, was geht

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Das Access Guide Magazin widmet sich im Oktober dem Thema „Freundschaft“. Clemens und Rosa haben dafür einige Schauplätze ihrer Kindheit besucht.

Clemens* erinnert sich: „Der Weg über das Grundstück vom Haus zur südlichen Grenze, über die Wiese mit den Obstbäumen. Morgentau auf dem Gras, ganz barfuß. Die Grenze erreicht, mit den hohen Bäumen, die Hainbuchenhecke mit dem Schlupfloch zum Nachbarsgrund. Hier ist der Platz, hier werden wir uns treffen. Gut, Du bist noch nicht da. Gestern waren wir gemeinsam Pilze suchen – mein Blick war eingestellt auf gelbe Flecken im grünen Moos, die Eierschwammerl, die ich so gern mag. Und Du, Du hast überhaupt alles andere gefunden, hattest auch Blick für die braunen Hüte der Birkenpilze im kontrastarmen Ambiente der spätsommerlichen Wiese. Schön war es mit Dir gemeinsam zu suchen und zu finden.

Wahrscheinlich hast Du Dir noch ein Häferl Kakao zusätzlich eingeschenkt. Und ein Marmeladenbrot, Frühstücken wie eine Königin. Was Du überhaupt alles essen konntest, der Regenwurm am Tag zuvor, den wir beobachteten, wie er sich den Weg durch das bemooste Erdreich bahnte. Du hast ihn Dir einfach aus seinem, quasi, Essen gezogen, gegen das Sonnenlicht gehalten und ihn genüsslich, gleich einer Spaghettinudel, verspeist. Mir Verblüfftem botest Du an, auch einen für mich zu finden. Ich lehnte ab, werde es auch so niemals vergessen. Nach diesem Sommer kreuzten sich unsere Wege nicht mehr. Meine Freundschaft mit der Natur jedoch ist dauerhaft geblieben. Vielen Dank dafür!“

Ein Hauch von Teppichluft

Auch Rosa* hat wunderschöne Erinnerungen an ihre Kindheitsfreundin Daniela: „Spiele spielen, gegenseitig besuchen, miteinander Mittagessen. Nachmittage verbringen. So wie es sich gehört. Keine Gewalt, keine bösen Worte, nur liebe Menschen. Liebe Mamas, ihre und meine. Woher ich Daniela kannte? Ich denke aus dem Kindergarten. Ihre Familie was sehr konservativ. Mama Kindergärtnerin, Papa Lehrer – glaube ich. Daniela hatte ein Haustier, einen Hamster. Ich hatte ein Zwergkaninchen – zuerst ein schwarzes, dann ein weißes. Das war in den 1980er Jahren. Daniela war gleichaltrig, sie hat später dann auch gemeinsam mit mir in der AHS maturiert.

Leider gingen unsere Wege auseinander, obwohl wir so eine nette, kindgerechte Freundschaft hatten, die wohl von unseren Müttern gefördert und unterstützt wurde. Daniela wurde, glaube ich, Lehrerin, heiratete Helmut, der schon damals fast eine Glatze hatte und bekam, soviel ich weiß, zwei Kinder. Die Erinnerungen an unsere gemeinsame Kindheit haben auch einen leicht bitteren Geschmack, mit einem Hauch von Teppichluft und kratzigen Pullovern oder Pullundern, wie wir sie damals alle trugen. Mit komischen, verschnittenen Haaren, aber glücklich. Wir spielten am Balkon, im Zimmer ihres Bruders Andreas, auch zeitweise mit ihm. Ich weiß noch, dass es zu Mittag Essen gab, die aus einfachen Zutaten bestanden und die mir meist bei ihrer Mutter nicht so schmeckten. Meine Mama konnte viel besser kochen, sie war ja auch mehr zu Hause als ihre.

Bild von Maurisa Mayerle auf Pixabay

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Wohlig warm und behaglich war es in der Wohnung ihrer Eltern und auch bei mir. Schön, dass ich mich an diese Zeit erinnern darf und auch kann. Miteinander durften wir eine schöne Zeit verbringen, dem Alter entsprechend. Das war pädagogisch wertvoll und angereichert von der Erfahrung ihrer Mama , die als Kindergärtnerin ihr Wissen und ihre Liebe zu Kindern auch nach Hause brachte. Meine Zeit mit Daniela war einigermaßen konträr zu der Zeit, die ich mit Beginn des Älterwerdens, so ab 14 Jahren vielleicht, erlebte. Daniela blieb „the good guy“ – ich hatte ab dem 17. Lebensjahr meinen ersten Kontakt mit einem „bad guy“, meinem ersten Freund, mit dem ich dann gleich einmal 13 Jahre zusammenlebte.

Aber zurück zur Freundschaft mit Daniela: Glasmurmeln im Gebüsch in der Gemeindebausiedlung, die in kleine, von uns gegrabene Löcher versenkt wurden. Oh wie schön! Gibt es Kinder, die das heutzutage noch spielen? Und wir fuhren mit meiner Familie für drei Wochen nach Kroatien auf Sommerurlaub ans Meer. Ich war sehr stolz auf meine Eltern. Und ich glaube, mich erinnern zu können, dass es in diesem Urlaub geschah, dass ich mittels des sehr oft auf Kassette gehörten „Hotel California“ gelang, dieses Lied bis zum heutigen Tage auswendig zu können. Die Gitarrenakkorde lernte ich später dann auch noch dazu“.

*Clemens und Rosa (Namen geändert) sind Teilnehmer*innen von Eranos, einem Projekt zur beruflichen Rehabilitation von Menschen mit psychischen Erkrankungen.