Im Nebel

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Die prächtigen rotgoldenen Herbstfarben des Oktobers weichen im November blasseren Tönen. Nun dominiert der Nebel und die Konturen werden unscharf. Der Dichter Hermann Hesse beschrieb Anfang des 20. Jahrhunderts diese Natursymbolik als Metapher für die Einsamkeit menschlicher Existenz: „Seltsam im Nebel zu wandern! Einsam ist jeder Busch und Stein, Kein Baum sieht den anderen, Jeder ist allein.“

Looney* hat sich vorgestellt, wie es wäre, in dieser Zeit ein Geist aus alter Zeit zu sein: „Dann hätte ich einen Grund melancholisch zu sein. Für mein Alter bin ich nämlich zu oft melancholisch. Abgesehen von meinen Depressionen. Mama meint, ich war immer schon so. Vielleicht bin ich einfach eine alte Seele, die zum 100. Mal wieder geboren wurde? Sucht meine Seele eventuell nach einer Aufgabe, die sie erfüllen soll? Oder hat sie es bis heute nicht geschafft, ihre Aufgabe zu erfüllen? Ich würde gerne ein Geist sein, dann könnte ich unsichtbar durch die Welt wandeln. Ungesehen und eventuell alleine. Oder hätte ich viel Gesellschaft? Will ich alleine sein? Ja und nein. Ich mag es, alleine zu sein, doch Einsamkeit ist furchtbar. Ist man als Geist alleine? Wandelt man vielleicht sogar einsam herum? Vielleicht will ich auch einfach ein Geist sein, weil ich das Leben oft satt habe, den Tod faszinierend finde, aber eigentlich nicht sterben möchte.

Es würde mich sehr interessieren zu sehen, wie sich die Welt über die Jahrhunderte verändert und gewandelt hat. Das wäre doch nur als Geist möglich, oder? Gleichzeitig könnte ich als Geist viel Blödsinn treiben, Menschen erschrecken, Orte heimsuchen, Späße treiben. Würde man das irgendwann satt haben? Wie ist das, wenn man ewig lebt? Ungesehen? Wenn man erlebt, wie alles um einen herum stirbt und nichts beständig ist?

Oder würden einfach alle verstorbenen Menschen ebenfalls Geister werden?

Deshalb die Frage: Wie einsam ist ein Geist? Und ist das alles nur der komische Wunsch, der aus meiner Depression entsprungen ist? Würde ich ewig existieren wollen? Oder entspringt das alles nur daraus, dass mein Geist nach wie vor sterben möchte? Mindert der Gedanke ein Geist zu werden eventuell die Angst davor? Denn eigentlich möchte ich nicht sterben, der Gedanke einfach zu verschwinden ist furchtbar. Versucht die Depression mich nur zu locken? Mich in Sicherheit zu wiegen? Weil eigentlich will ich ja leben”.

*Looney (Name geändert) ist Teilnehmerin von Eranos, einem Projekt zur beruflichen Rehabilitation von Menschen mit psychischen Erkrankungen.