Irgendwo dazwischen

© Ute Fuith

Die Teilnehmer*innen von Eranos, einem Projekt zur beruflichen Rehabilitation von Menschen mit psychischen Erkrankungen, haben sich im April dem Thema „Identität“ gewidmet. Dabei wurde auch Musik gehört.

„Ich hab` versucht ich selbst zu sein, ich hab gemerkt ich bin ein Arschloch. Jetzt, wo ich ein anderer bin, bin ich einfach Mega Happy“, singt der Schweizer Musiker Faber auf dem Album „Ich liebe dich“, das er gemeinsam mit Sophie Hunger und Dino Brandão im Vorjahr aufgenommen hat. Das Lied hörte Daniel* während seiner Recherche zum Thema „Identität“ immer wieder: „es beschreibt für mich genau das Dilemma, in dem ich momentan stecke: Bin ich der, der ich im Inneren bin oder bin ich der, den die Anderen in mir sehen? Meistens bin ich irgendwo dazwischen, immer einen Schritt hinter den Ansprüchen, die ich selbst an mich habe und denen, die an mich gestellt werden. Manchmal lauf ich mir auch davon. Trotzdem gibt es Momente, in denen bin ich ganz bei mir. In solchen Augenblicken fürchte ich mich nicht – weder vor mir, noch vor den anderen. Dann bin ich authentisch“.

Ewige Baustelle „Ich“ © Ute Fuith

Ewige Baustelle „Ich“ © Ute Fuith

Ana* wurde in den 1970er Jahren in Jugoslawien geboren, einem Land, das es heute nicht mehr gibt. Obwohl sie seit über 30 Jahren in Österreich lebt, wird sie von vielen Menschen immer noch als Fremde behandelt: „Daran bin ich aber schon seit meiner Kindheit gewöhnt. Auch in Jugoslawien war ich immer ein wenig fremd: Meine Familie gehört nämlich der rumänischsprachigen Minderheit in der Vojvodina an. Serbisch habe ich erst in der Volksschule gelernt. Als ich zehn war sind wir nach Österreich übersiedelt. Dann kam Deutsch dazu. Ich war sehr ehrgeizig und bald eine gute Schülerin. Mein Ansporn war, unbedingt dazu zu gehören. Ich wollte sein, wie alle anderen – auf keinen Fall anders. Erst als Erwachsene habe ich gelernt meine Unterschiede auch als Reichtum zu begreifen. Vor allem der Umstand, dass ich dreisprachig aufgewachsen bin, hat mir letztlich mehr genützt als geschadet. Jede Sprache schafft ihre eigene Welt und ich kann mühelos zwischen ihnen hin und her wandern.“ Für ihren Beitrag hat Ana die Musik des vor kurzem verstorbenen, serbischen Balladensängers Đorđe Balašević gewählt: „Er kommt aus der Gegend meiner Kindheit. Eines meiner Lieblingslieder von ihm ist ,Odlazi cirkus`. Darin fragt er sich ‚Wer ist da der Gastgeber und wer der Gast‘. Mir geht es manchmal auch so.“

Ich als Illusion

Sascha* hat sich als Erwachsener meist nur als Wunschbild seiner selbst wahrgenommen. Er war jahrelang spielsüchtig. Sein Verhängnis waren die „Automaten. Ich war total fixiert darauf. Die Sucht war teilweise mächtiger als Hunger und Durst oder das Bedürfnis zu schlafen und sie hat mich unendlich viel Geld gekostet. Mich hat die Geschwindigkeit fasziniert, die Möglichkeit auf einen Drücker ganz viel Geld zu machen. Dabei fließt Adrenalin pur in den Adern. In solchen Momenten ist man ganz bei sich. Das Leben außerhalb der Spielhalle wird langweilig. Obwohl ich nichts hatte, habe ich mir vorgestellt, wie es sein würde, wenn ich den Jackpot knacke“. Saschas Spielkarriere dauerte über 10 Jahre. In Summe hat ihn die Sucht eine halbe Million Euro gekostet. „Abgesehen von dem vielen Geld habe ich durch die Spielsucht auch mich selbst verloren. Ich bin in eine schwere Depression geschlittert aus der ich nur mit therapeutischer Hilfe herausgekommen bin. Ich musste mich regelrecht neu erfinden. Das war nicht leicht – ich arbeite immer noch daran. In meinen Träumen spiele ich oft noch am Automaten – aber heute sind es Albträume.“ Als Spieler hat Sascha viel Zeit im Prater verbracht. Deshalb hat er als Lied den Rudschduam von Molden, Resetarits, Soyka und Wirth gewählt.

*Namen geändert