Kleine Auszeiten

Ostsee © Ute Fuith

In der eigenen Stadt oder anderswo auf Urlaub: Wenn wir unterwegs sind, gehen auch unsere Gedanken auf Reisen. Ludovico, Laura, Yula und Jana erzählen, was ihnen dabei eingefallen ist.

Ich bin nie viel gereist. Wir hatten einfach nicht das Geld, um jedes Jahr auf Urlaub zu fahren. Meistens war ich im Sommer in Niederösterreich in unserem Haus, während andere Kinder coole Italien- oder Kroatien-Urlaube machten. Fand ich aber nicht so schlimm. Sicher wäre ich manchmal auch lieber am Meer gewesen, als in einem kleinen Dorf, aber es war schon ok. Durch meine Angststörung habe ich, ehrlich gesagt, Angst davor in ein Land zu reisen, wo niemand meine Sprache spricht. Mein Englisch ist nämlich sehr schlecht. Keine Ahnung, wieso mir das Angst macht. Fakt ist, ich bleibe lieber in Österreich, wo jeder mich versteht und meine Sprache spricht. Ich bin generell nicht so der reisende Mensch, der gerne viel unterwegs ist. Neue Orte und neue Menschen machen mir Angst. Dabei wäre es schon schön, einmal mehr von der Welt zu sehen. Eigentlich blöd, dass nicht alle Menschen dieselbe Sprache sprechen! Das würde alles viel besser und einfacher machen. Oder ich müsste mein Englisch verbessern, aber dafür bin ich ehrlich zu faul. Ich mag die Sprache Englisch jetzt auch nicht so sehr, dass ich sie unbedingt öfter sprechen will. Immerhin kann ich Deutsch, das sollte reichen, oder etwa nicht? Sollen doch die Anderen Deutsch lernen! So – jetzt habe ich Hunger und hätte gerne ein Cordon-Bleu! Ludovico*

Die Sonne geht unter im Meer, Salz auf der Haut, mein Hund neben mir, die Zigarette in der Hand. Der Moment ist perfekt! Noch vor ein paar Wochen habe ich außer der U-Bahn, dem Karlsplatz und der Apotheke, um mein Morphium und meine Benzos zu holen, nichts gesehen. Dem Tod ein paar Mal entkommen, kaputt und zerstört – das war ich. Und jetzt sitze ich hier in Kroatien am Campingplatz mit Mama, Papa und meinem Hund Mokrisha. Ich war lange schon nicht mehr so glücklich. Ich schau aufs Meer und leicht sein ist gar nicht mehr schwer. Jetzt weiß ich, dass meine schlimmste Reise mich zum schönsten Ziel gebracht hat. Laura*

Die Sonne brannte, die Luft roch nach Meer. Ein bisschen noch und wir waren da … Griechenland! Das schönste Meer, der Strand, die Menschen, die wilden Hunde und auch meine Freunde, die Schildkröten, waren wieder hier. Die Berge, in denen in der Nacht die Wölfe heulten – die Bäume, der Geruch. Alles vertraut … Meine Kindheit, mein Ich, all das wurde geprägt durch die Urlaube in Griechenland. Und irgendwann werde ich wieder dort sitzen … Das habe ich mir versprochen. Laura*

Keine ruhige Minute. Ruhe bedeutet Schuld. 100 Wege – nicht einer vollendet. 80 geraten in Vergessenheit. 20 geplante Wege haben keine Priorität. Es geht nur schleppend voran. Unsicherheit und Zweifel machen sich bemerkbar. Motivation und Energie verwehen im Wind. Frust macht sich breit. Kopf und Herz bekriegen sich gegenseitig. Gefühle werden zur Rarität und die Geduld hält sich in Grenzen. Sonne und Wärme versuchen zu unterstützen und zu helfen. Doch der Druck lässt nur ab, wenn kein Drang da ist. Kurschluss – Leere – Durchgebrannt. Yula*

Ein bunter Abend steht bevor. Vorfreude und Nervosität im Augenblick. Was wird mich erwarten? Was wird geschehen? Gedanken werden auf die Seite gelegt. Und das Selbstbewusstsein angelegt. Ein schwarzes Kleid mit kleinen Details. Passt das überhaupt in eine Welt, die vor Farben schreit? Es wird das nächste anprobiert. Zufriedenheit flackert im Blick! Aber bin das wirklich ich? Stimmen ziehen durch meinen Kopf: „Du bist nicht schön“, „Das steht dir nicht“. Jedoch mein Mund spricht zurück: „Ich bin gut so, wie ich hier stehe!“ Aber was jetzt? Die Details schmücken mein Gesicht. Ein Regenbogen ziert meine Augen, Eyeliner und Wimperntusche ergeben ein gutes Meisterwerk. Ich seh‘ mich im Spiegel so schön, wie noch nie. Trotzdem schlottern mir die Knie. Leugnen kann ich es nicht, aber die Lebensfreude wird heute zur Pflicht. Ein Abend voller Farben und ich mittendrin. Freude kommt auf und ich kann nicht mehr halten. Ich werde meine Gefühle nicht mehr verwalten. Emotionen nehmen ihren freien Lauf. Hier darf ich sein, wer ich bin. Mit all meinen Fehlern und all meinen Macken. Jana*

*Namen geändert